AG Kassel, 07.05.2013 - 435 C 584/13: Unfallopfer hat keinen Anspruch auf Löschung der Unfalldaten
Nach einem Urteil des Amtsgerichts (AG) Kassel vom 07.05.2013 kann der durch einen Verkehrsufall geschädigte Verkehrsteilnehmer nicht verlangen, dass die zu diesem Unfall im Hinweis- und Informationssystem der Versicherungswirtschaft (HIS) gespeicherten Daten gelöscht werden.
Der Kläger geriet unverschuldet in ein Verkehrsunfallereignis. Sein Fahrzeug erlitt hierbei einen Totalschaden. Die Beklagte regulierte als Haftpflichtversicherer diesen Schaden und informierte den Kläger darüber,
"die Daten seines Fahrzeuges, nämlich Kfz-Kennzeichen und Fahrzeugidentifizierungsnummer an das Hinweis- und Informationssystem (HIS) zu melden, welches von Firma … betrieben werde und Unternehmen der Versicherungsbranche zur Verfügung stehe. Der Kläger willigte hierin nicht ein." (Rdnr. 2)
Die vom Kläger angestrengte Klage auf Löschung dieser Daten blieb erfolglos.
Nach Aufassung des AG lägen bereits keine personenbezogenen Daten im Sinne des § 3 BDSG vor.
§ 3 Abs. 1 BDSG lautet:
"(1) Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener)."
(Symbolbild)
Insoweit führt das AG Folgendes aus:
"Es fehlt bereits an der Speicherung personenbezogener Daten des Klägers im Sinne des § 3 BDSG. Solche Daten liegen nur dann vor, wenn sie sich auf eine konkrete bestimmte Person oder jedenfalls auf eine bestimmbare Person beziehen. Die hier klägerseits benannten Daten, wie sie auch in dem von der Beklagten vorgelegten Speicherauszug Bl. 91 d.A. enthalten sind, nennen keine, die unmittelbar den Kläger bestimmen. Er ist weder mit seinem Name noch mit sonstigen persönlichen Merkmalen gespeichert. Gespeichert sind lediglich Merkmale des von ihm im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls gehaltenen PKW." (Rdnr. 10)
Im Übrigen wäre das Speichern der Daten jedenfalls von einem berechtigten Interesse der Beklagten gedeckt:
"Selbst wenn man insoweit anderer Ansicht ist, ergibt sich gleichwohl kein Löschungsanspruch zugunsten des Klägers. Denn es liegt keine unzulässige Speicherung vor, da diese in der konkreten Ausformung erlaubt im Sinne des § 4 BDSG ist. In § 29 Abs. 1 Nr. 1 BDSG findet sich nämlich eine hinreichende Grundlage für die Speicherung der konkreten Fahrzeugdaten. Danach ist die Speicherung personenbezogener Daten zum Zweck der Übermittlung dann zulässig, wenn kein Grund zur Annahme schutzwürdige Interesse des Betroffenen am Ausschluss von Erhebung und Speicherung vorliegt. So ist es hier." (Rdnr. 12)
"Die Beklagte und die hinter ihr stehende Betreiberin des … haben ein berechtigtes Interesse daran, die erhobenen Daten zu speichern und gegebenenfalls angeschlossenen Versicherungsunternehmen weiterzuleiten. Denn das System dient dem Interesse der Versichertengemeinschaft. Mithilfe der solchermaßen gespeicherten Daten können nämlich Fälle leichter bearbeitet werden, in denen eine unberechtigte Inanspruchnahme von Kfz-Haftpflicht- bzw. -Kaskoversicherungen in Frage steht, nachdem ein Schadensfall lediglich fiktiv, d.h. ohne Vorlage einer konkreten Reparaturkostenrechnung reguliert worden ist. Dabei kommt es nicht auf die Person des Halters am, sondern auf das Fahrzeug an sich, um ermitteln zu können, ob dieses bereits einmal einem vergleichbaren Schaden zuvor erlitten hat. Ein schutzwürdiges Interesse des betroffenen Fahrzeughalters vermag das Gericht indessen nicht zu erkennen. Denn es fehlt an den hierfür erforderlichen konkreten Anhaltspunkten, die Grund zur Annahme dafür liefern, dass die Speicherung der Daten den Rechtskreis der betroffenen Person, hier des Klägers, beeinträchtigen könnte (vgl. Gela/Schomerus, § 29 BDSG Rdnr. 10, 12)." (Rdnr. 13)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))