LAG Berlin-Brandenburg, 09.01.2015 - 3 Sa 1335/14: Zum Pfändungsschutz bei Zuschlägen für Nacharbeit
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschied mit Urteil vom 09.01.2015, dass Zuschläge für Nachtarbeit, Sonntags- und Feiertagsarbeit gemäß § 8 Abs. 1 Buchst. b, c und d TVöD Erschwerniszuschläge im Sinne des § 850a Nr. 3 ZPO darstellen und damit unpfändbar sind.
Nach § 850a Nr. 3 ZPO gilt:
"Unpfändbar sind
...
3.
Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen;
..."
Im entschiedenen Fall war der beim beklagten Landkreis beschäftigte Kläger im Wechselschichtsystem tätig und arbeitete daher auch nachts und an Sonn- und Feiertagen. Entsprechend wurde in den Gehaltsabrechnungen die Wechselschichtzulage und die Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit ausgewiesen.
(Symbolbild)
Der Kläger durchlief ein Privatinsolvenzverfahren. In dessen Rahmen hatte er gemäß § 287 Abs. 2 InsO seine pfändbaren Bezüge an die bestellte Treuhänderin abgetreten.
§ 287 Abs. 2 InsO lautet:
"(2) Dem Antrag ist die Erklärung beizufügen, daß der Schuldner seine pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis oder an deren Stelle tretende laufende Bezüge für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Abtretungsfrist) an einen vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abtritt."
Der Beklagte hat seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und auch nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens in den von ihm errechneten Pfändungsbetrag, den er dann an die Treuhänderin monatlich überwiesen hat, die Wechselschichtzulagen und die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit einbezogen.
Der Kläger verlangte von dem beklagten Landkreis die Auskehrung der entsprechenden Beträge an ihn. Schließlich kam es zur Klage.
Arbeitsgericht (ArbG) und LAG stellten sich auf die Seite des Klägers.
Das LAG führte aus:
"Die Ansprüche auf Zahlung einer Wechselschichtzulage gemäß § 8 Abs. 5 TVöD und die Ansprüche auf Zahlung von Zuschlägen für Nachtarbeit-, Sonntags- und Feiertagsarbeit gemäß § 8 Abs. 1 Buchst. b, c und d TVöD sind keine pfändbaren Forderungen, sondern sie sind gemäß § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar. Bei den streitgegenständlichen Ansprüchen handelt es sich um Erschwerniszulagen iSd. Vorschrift." (Rdnr. 43)
Das LAG wies auf eine Reihe gleichlautender Gerichtsentscheidungen in dieser Frage hin; der Gegenmeinung folgte es nicht:
"Nach § 850a Nr. 3 ZPO sind unpfändbar Aufwandsentschädigungen, Auslösungsgelder und sonstige soziale Zulagen für auswärtige Beschäftigungen, das Entgelt für selbstgestelltes Arbeitsmaterial, Gefahrenzulagen sowie Schmutz- und Erschwerniszulagen, soweit diese Bezüge den Rahmen des Üblichen nicht übersteigen. Erschwerniszulagen iSd. dieser Vorschrift sind auch Zulagen bzw. Zuschläge, die gezahlt werden, weil die Lage der Arbeitszeit mit Erschwernissen für den Arbeitnehmer verbunden ist (so auch zB OVG Lüneburg 17. September 2009 – 5 ME 186/09 – ZBR 2010, 60; VG Kassel 3. Juni 2013 – 1 K 1496/12 KS -, JurBüro 2013, 599; VG Stuttgart 11. Juni 2012 – 3 K 878/12 – VuR 2013, 34; VG Düsseldorf 4. Mai 2012 – 13 K 5526/10 -, ZInsO 2012, 1900; LG Hannover 21. März 2012 - 11 T 6/12 -, VuR 2013, 32; Musielak/Becker 11. Aufl. § 850a ZPO Rn. 5a; Saenger/Kemper 6. Aufl. § 850a ZPO Rn. 5; BeckOK/Riedel § 850a ZPO Rn. 14, Stand 1. Januar 2015; a.A. Hessisches LAG 25. November 1988 – 13 Sa 359/88 -; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann 73. Aufl. § 850a ZPO Rn. 10; Zöller/Stöber 30. Aufl. § 850a ZPO Rn. 10; Stöber Forderungspfändung 16. Aufl. Rn. 997; Stein/Jonas/Brehm 22. Aufl. § 850a ZPO Rn. 24; Wieczorek/Schütze/Lüke 3. Aufl. § 850a ZPO Rn. 27; MüKo/Smid 4. Aufl. § 850a ZPO Rn. 15). Dies ergibt die Auslegung der Norm." (Rdnr. 44)
Es lies allerdings die Revision zum BAG zu:
"Die Revision wurde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG zugelassen." (Rdnr. 69)
§ 72 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ArbGG lauten:
"(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
1. eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht ..."
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))