Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler
BAG, 17.12.2015 - 8 AZR 421/14: Zur Benachteiligung wegen Transsexualität
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in seinem Urteil vom 17.12.2015 mit der Benachteiligung wegen Transsexualität zu befassen.
Hintergrund des Falles bildete die Bewerbung einer Frau, die nach eigener Bekundung im gerichtlichen Verfahren transsexuell ist.
Die Frau hatte sich in 2012 um eine Stelle als Kommissioniererin in Vollzeit zu einem Stundenlohn von 7,89 Euro brutto beworben. Im Rahmen dieser Bewerbung kam es am Nachmittag des 07.09.2012 zu einer persönlichen Vorstellung beim Logistikleiter. Diesem war die Bewerberin von der potentiellen Arbeitgeberin angekündigt worden.
Die Bewerberin sollte nämlich im Wege der Arbeitnehmerüberlassung in dem Unternehmen eingesetzt werden, dem der Logistikleiter angehörte.
Das Zusammentreffen mit dem Logistikleiter begann nun damit, dass dieser die Bewerberin
"zunächst nicht als Frau wahr[nahm]" (Rdnr. 4).
Als die Bewerberin den Logistikleiter ansprach, sagte dieser zu ihr:
"Ich dachte, Frau W hat eine Frau M zum Gespräch angekündigt.“ (Rdnr. 4)
(Symbolbild)
Nach den weiteren, streitigen Schilderungen soll der Logistikleiter sich dann möglicherweise über die Bewerberin belustigt gezeigt haben. Jedenfalls verlief die Vorstellung recht knapp. Insofern schilderte die Bewerberin das Verhalten des Logistikleiters wie folgt:
"[Der Logistikleiter] habe sie zu Beginn des Gesprächs wortlos angesehen und dann nicht nur einmal, sondern zweimal gesagt, dass Frau W doch eine Frau habe schicken wollen, und dies, obwohl sie ihm bereits nach dem ersten Mal geantwortet habe, dass sie die angekündigte Frau M sei. Herr P habe schließlich noch hinter die Tür geschaut und so getan, als suche er dort eine Frau. Nur nach einigem Zögern sei er mit ihr in das Lager gegangen. Die dort anfallenden Arbeiten als Kommissioniererin seien ihr nicht erläutert worden. Auf mehrfache Nachfrage, wann am folgenden Montag Arbeitsbeginn sei, habe Herr P nur geantwortet, dass er nochmals mit Frau W sprechen müsse." (Rdnr. 7)
Die Bewerberin erhielt die Stelle nicht und machte darauf hin Entschädigungsansprüche nach dem AGG geltend:
§ 15 Abs. 2 AGG:
"(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre."
Die Klage blieb erst- und zweitinstanzlich ohne Erfolg.
Das BAG hob die zweitinstanzliche Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurück.
Es wies dabei insbesondere auf folgende Punkte hin:
Wer Rechtsschutz wegen einer Benachteiligung im Sinne des AGG begehrt, kann von den Darlegungs- und Beweiserleichterungen des § 22 AGG Gebrauch machen:
"Für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen sieht § 22 AGG eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat." (Rdnr. 24)
Die vermeintlich benachteiligte Person muss also nur Indizien vortragen, nach denen eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Benachteiligung besteht:
"Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist." (Rdnr. 25)
Soweit es um die Einordnung einer Diskriminierung wegen Transsexualität geht, kommt sowohl eine Benachteiligung wegen des Geschlechts, als auch wegen der sexuellen Identität in Betracht:
"Zwar gehört Transsexualität als solche nicht zu den in § 1 AGG genannten Gründen, an die das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG anknüpft. Sie kann jedoch sowohl im Rahmen des in § 1 AGG angeführten Grundes 'Geschlecht' als auch des Grundes 'sexuelle Identität' iSv. § 1 AGG von Bedeutung sein." (Rdnr. 30)
(Quelle: BAG, Urteil v. 17.12.2015, 8 AZR 421/14)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))