LAG Berlin-Brandenburg, 05.01.2016 - 6 Ta 2302/15: PKH - Unterlassene Mitteilung der neuen Anschrift
Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg) sprach sich in seiner Entscheidung vom 05.01.2016 dafür aus, dass die bloße Unterlassung der Mitteilung einer neuen Anschrift im Prozesskostenhilfeverfahren (PKH-Verfahren) nicht automatisch zu einer Aufhebung der Prozesskostenhilfe (PKH) führt.
Auch in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten sind viele Parteien auf staatliche Unterstützung in Form der PKH angewiesen.
So auch im vorliegenden Fall: Der Klägerin, einer mehrfachen Mutter, wurde für eine Kündigungsschutzklage PKH gewährt. Anschließend wird für einen Zeitraum von vier Jahren überprüft, ob sich die entsprechenden Verhältnisse soweit geändert haben, dass nunmehr doch die Kosten von der Klägerin ganz oder teilweise selbst getragen werden können (Nachprüfungsverfahren).
(Symbolbild)
Hier kommt es oft vor, dass die betroffenen Personen, wie hier auch die Klägerin, umgezogen sind, ohne dass sie ihre neue Anschrift dem Arbeitsgericht mitgeteilt haben. Damit liegt ein Verstoß vor, der gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zur Aufebung der PKH führen kann:
"(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
...
4.die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat;
..."
Konstellationen dieser Art führten dann oft zu Aufhebungsentscheidungen, die wiederum im Wege der sofortigen Beschwerde angegriffen wurden.
Wie einige andere Gerichte sprach sich auch das LAG Berlin-Brandenburg dafür aus, dass die bloße Unterlassung der Mitteilung der neuen Anschrift für eine Aufhebung der PKH nicht ausreichen könne (Rdnrn. 10 - 12):
"Die Nichtmitteilung erfolgt jedoch nicht 'absichtlich' oder 'aus grober Nachlässigkeit'.
Dieses Schulderfordernis bezieht sich auch auf die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung einer Anschriftenänderung (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.09.2015 – 5 Ta 147/15 – juris Rn. 13; LAG Köln, Beschluss vom 02.07.2015 – 11 Ta 164/15 –, juris Rn. 3; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.06.2015 – 4 Ta 8/15 –, juris; Maul-Sartori, jurisPR-ArbR 38/2015 Anm. 6; a.A. u.a. Fischer, in: Musielak, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 124 Rn. 8a). Dies folgt schon aus dem Wortlaut und aus dem Sanktionscharakter des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO.
Das grobe Fehlverhalten ist der PKH-Partei nachzuweisen. Die Umstände, aus denen Vorsatz oder grobe Nachlässigkeit abgeleitet werden können, sind von dem Gericht festzustellen, denn eine besondere Verpflichtung der PKH-Partei, das "fehlende" Verschulden gegenüber dem Gericht darzulegen und nachzuweisen, ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen (LAG Köln, Beschluss vom 22.09.2015 – 1 Ta 294/15 – juris Rn. 7 m.w.N.). Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe darf nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nur aufgehoben werden, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung gegeben sind. Zweifel stehen der Aufhebung entgegen und gehen nicht zu Lasten der PKH-Partei (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.07.2015 – 21 Ta 975/15 – juris Rn. 15 m.w.N.; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.09.2015 – 5 Ta 147/15 – juris Rn. 14)."
Da es auch Gegenauffassungen gibt (siehe oben: "a.A." = "andere Auffassung") ist der PKH-Partei natürlich größte Sorgfalt zu empfehlen.
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))
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