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  • AutorenbildFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

BAG, 07.06.2016 - 1 ABR 30/14: Zur Antragsbefugnis einzelner Mitglieder des Betriebsrates

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in einem Beschluss vom 07.06.2016 mit einem Streit über das Verfahren zur Feststellung des Abstimmungsergebnisses bei der Beschlussfassung des Betriebsrats zu befassen.

Im entschiedenen Fall handelte es sich um einen Betrieb mit etwa 20.000 Arbeitnehmern. Der Betriebsrat verfügte über 43 Mitglieder.

Eine Reihe einzelner Mitglieder dieses Betriebsrates waren nicht mit der Art und Weise der Ermittlung der Abstimmungsergebnisse bei der Beschlussfassung des Betriebsrates durch den Leiter der Sitzung vom 11.04.2013 einverstanden.

Dieser war wie folgt vorgegangen:

"Über die Vorschläge der Koordinationsausschüsse wurde in der Weise abgestimmt, dass zunächst nach Nein-Stimmen und sodann nach Enthaltungen gefragt wurden. Ja-Stimmen wurden nicht ausdrücklich abgefragt. Aus der Differenz der abgegebenen Stimmen zu den bei den sechs Abstimmungsvorgängen anwesenden Betriebsratsmitgliedern stellte der Sitzungsleiter die Zahl der Ja-Stimmen fest und teilte diese sowie die damit verbundene Annahme des Antrags mit. Das so festgestellte Ergebnis wurde sodann im Protokoll festgehalten." (Rdnr. 4)

Die o.g. Einzelmitglieder des Betriebsrates, die dieses Vorgehen nach der "Subtraktionsmethode" für betriebsverfassungswidrig hielten, leiteten daraufhin ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren ein.

Vor dem BAG hatten sie indes keinen Erfolg.

Symbolbild Richter

(Symbolbild)


Das BAG führte aus, dass die Antragsteller gar nicht in eigenen Rechten verletzt sein könnten und ihnen daher bereits die Antragsbefugnis fehle:

"Einzelne Mitglieder des Betriebsrats können gegenüber dem Betriebsrat weder die Unwirksamkeit eines Beschlusses noch die Rechtswidrigkeit von Handlungen unabhängig von einem Eingriff in eine eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition geltend machen. Im Rahmen einer sog. Binnenstreitigkeit zwischen dem Betriebsrat und einzelnen seiner Mitglieder streiten die Beteiligten nicht über Individualrechte, sondern über Kompetenzen und Rechte, die dem Betriebsrat als Gremium oder einzelnen Betriebsratsmitgliedern kraft Gesetzes zugewiesen sind. Ebenso wie das BetrVG oder das ArbGG dem einzelnen Betriebsratsmitglied kein abstraktes inhaltliches Normenkontrollrecht für vom Betriebsrat geschlossene Betriebsvereinbarungen einräumt (BAG 29. April 2015 - 7 ABR 102/12 - Rn. 18, BAGE 151, 286), kann es nicht ohne Betroffenheit in einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition in der Sache die Feststellung der Rechtmäßigkeit von Handlungen oder Entscheidungen des Betriebsrats verlangen. Das gilt auch für die Beschlussfassung des Betriebsrats. Daher ist ein einzelnes Mitglied daran gehindert, die Feststellung eines Abstimmungsergebnisses durch die Sitzungsleitung im Beschlussverfahren überprüfen zu lassen oder ein bestimmtes Abstimmungsverfahren bei der Beschlussfassung des Betriebsrats zu fordern, sofern es sich nicht auf die Verletzung eigener mitgliedschaftlicher Rechte berufen kann." (Rdnr. 16)

Insbesondere hätten die Antragsteller nicht geltend gemacht, dass ihre eigenen Stimmen fehlerhaft erfasst wurden:

"(1) Zu den betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen eines Betriebsratsmitglieds gehören unter anderem das Recht auf Teilnahme an Sitzungen des Betriebsrats, das Rederecht und das Recht auf Stimmabgabe. In das Stimmrecht kann eingegriffen werden, wenn die Sitzungsleitung die Stimmabgabe nicht oder unzutreffend würdigt." (Rdnr. 21)

"(2) Die Antragsteller machen weder geltend, ihr Stimmverhalten sei von der Sitzungsleitung unzutreffend festgestellt worden, noch führen sie an, der 'Erfolgswert' ihrer Nein-Stimmen sei verkannt worden, etwa weil nicht genügend andere Betriebsratsmitglieder zugegen gewesen seien, um von einer Mehrheit der Stimmen für eine Antragsannahme ausgehen zu können. Nach dem Inhalt des Sitzungsprotokolls wurden zu den einzelnen Abstimmungsvorgängen die jeweils anwesenden Betriebsratsmitglieder und jeweilige Mehrheit der anwesenden Stimmen ausdrücklich festgestellt." (Rdnr. 22)

Das von den Antragsteller als rechtswidrig bezeichnete Verhalten des Sitzungsleiters habe die Wertung fremder Stimmen betroffen:

"... Das beanstandete Verhalten des Sitzungsleiters betrifft jedoch das Recht auf Stimmabgabe anderer Betriebsratsmitglieder. Eine Beeinträchtigung einer eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition ist damit gerade nicht verbunden." (Rdnr. 23)

Außerdem kenne das BtrVG gerade keine abstrakte Normenkontrollbefugnis des einzelnen Betriebsratsmitglieds:

"... Für ihr Begehren, 'generell und abstrakt' müssten Beschlussfassungen des Betriebsrats nach § 33 Abs. 1 BetrVG demokratischen Grundsätzen und in der Folge dem von ihnen geforderten Abstimmungsverfahren folgen, machen sie keine eigenen Rechte geltend, sondern berufen sich offenkundig auf eine dem BetrVG fernliegende abstrakte Kontrollbefugnis von Betriebsratsmitgliedern." (Rdnr. 26)

Schließlich weis das BAG darauf hin, dass im Übrigen die Durchführung der Abstimmung grundsätzlich dem Sitzungsleiter obläge und das BtrVG auch kein bestimmtes Abstimmungsprozedere vorsehe:

"... Die Leitung der Sitzung erfolgt durch den Vorsitzenden, der auch das Verfahren über die Beschlussfassung leitet und dessen Ergebnis festhält. Soweit die Modalitäten des Verfahrens bei der Durchführung von Beschlussfassungen festgelegt werden können, obliegt dies zunächst durch den Betriebsratsvorsitzenden als Sitzungsleiter oder ggf. durch den Betriebsrat als Organ. Ein bestimmtes Abstimmungsprozedere sieht das BetrVG dagegen nicht vor." (Rdnr. 27)

Offen lassen konnte das BAG die Frage, ob die Antragsteller mit dem Betriebsrat überhaupt den richtigen Antragsgegner angegangen waren. Gleiches galt für Zweifel hinsichtlich der Bestimmtheit des Vorbringens:

"Aufgrund der bereits fehlenden Antragsbefugnis kann dahinstehen, ob der Betriebsrat überhaupt passivlegitimiert ist. Nach § 29 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist die Sitzungsleitung schließlich dem Betriebsratsvorsitzenden oder seinem Stellvertreter zugewiesen. Weiterhin muss der Senat auch nicht darüber befinden, ob das in dem Antrag beschriebene Verhalten der 'positiven aktiven Meinungsäußerung' den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt und damit hinreichend bestimmt ist." (Rdnr. 28)

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))


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