BAG, 07.06.2016 - 1 ABR 26/14:Auch im Beschlussverfahren muss grundsätzlich ein Antrag gestellt sein
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in einem Beschluss vom 07.06.2016 mit dem sog. Antragsgrundsatz nach § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO und seiner Geltung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu befassen.
§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO lautet:
"(1) Das Gericht ist nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. ..."
Im entschiedenen Fall stritten sich Betriebsrat und Arbeitgeberin im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens. Der Betriebsrat machte unter anderem Auskunftansprüche gegen die Arbeitgeberin über ein Bonussystem geltend.
Erstinstanzlich war er vor dem Arbeitsgericht unterlegen. Der Betriebsrat legte Beschwerde ein und formulierte in der Beschwerdebegründung seine Anträge. In der mündlichen Anhörung vor dem Beschwerdegericht (Landesarbeitsgericht (LAG)) kam es zum Abschluss eines widerruflichen Vergleichs. Eine (ausdrückliche) Antragstellung fand in diesem Gerichtstermin ausweislich des Verhandlungsprotokolls nicht statt.
(Symbolbild)
Später widerrief der Betriebsrat den geschlossenen Vergleich. Das LAG entschied dann durch Beschluss weitgehend zugunsten des Betriebsrats.
Die Arbeitgeberin rügte mit der Rechtsbeschwerde u.a. die unterbliebene Antragstellung des Betriebsrats in der Beschwerdeinstanz.
Zu Recht, wie das BAG entschied.
Auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren gelte die Bestimmung des § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO. Nur über einen Antrag könne das Gericht entscheiden. Andernfalls fehle es an einer notwendigen Entscheidungsvoraussetzung:
"Das Gericht ist nach dem auch im Beschlussverfahren geltenden § 308 Abs. 1 ZPO nicht befugt, dem Antragsteller etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist (vgl. BAG 17. März 2015 - 1 ABR 49/13 - Rn. 9). Das Antragserfordernis trägt der Notwendigkeit Rechnung, den Gegenstand des Verfahrens konkret zu bestimmen. Diesem Erfordernis ist nicht durch eine bloße streitige Erörterung der Sach- und Rechtslage genügt. Bereits aus Gründen der prozessualen Klarheit und der Notwendigkeit, die Sachentscheidungsbefugnis des Gerichts näher zu bestimmen, bedarf es einer konkreten, auf die Sachentscheidung des Gerichts ausgerichteten Antragstellung (vgl. zum Berufungsverfahren BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 121/04 - zu II 1 der Gründe mwN). Auch in einem Beschlussverfahren ist der Antragsteller - im Gegensatz zu anderen Beteiligten - grundsätzlich gehalten, einen Antrag zu stellen (vgl. BAG 2. Oktober 2007 - 1 ABR 59/06 - Rn. 16, BAGE 124, 175). Des Weiteren unterliegen im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren nach § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 528, 308 ZPO nur die Beschwerdeanträge der Prüfung und Entscheidung des Beschwerdegerichts. Der Beschluss des ersten Rechtszugs darf nur insoweit abgeändert werden, wie eine Abänderung beantragt ist." (Rdnr. 8)
Eine ausdrückliche Antragstellung sei nicht erfolgt. Von einer stillschweigenden (konkludenten) Antragstellung könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Ebenso sei ein Fall des § 83 Abs. 4 S. 2 ArbGG nicht gegeben:
"Der Betriebsrat als Antragsteller und Beschwerdeführer hatte - wie er in seiner Stellungnahme zur Rechtsbeschwerdebegründung der Arbeitgeberin selbst angibt - in dem anberaumten Anhörungstermin, auf den der angefochtene Beschluss ergangen ist, keine Anträge gestellt. Auch von einer konkludenten Antragstellung kann nicht ausgegangen werden. Der Betriebsrat hatte nach dem Anhörungstermin vom 11. Dezember 2013 in dem Schriftsatz, in dem er den Vergleich widerrufen hatte, die Anordnung des schriftlichen Verfahrens angeregt und ausdrücklich 'für diesen Fall' seine Anträge aus der Beschwerdeschrift wiederholt. Das Landesarbeitsgericht ist der Anregung nicht gefolgt, sondern hat Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt und 'auf die Anhörung der Beteiligten am 11.12.2013' entschieden. Ein Fall des § 83 Abs. 4 Satz 2 ArbGG lag nicht vor, denn der Betriebsrat war in dem Anhörungstermin erschienen und hat auch nicht etwa bewusst von einer Antragstellung abgesehen." (Rdnr. 10)
Der Rechtsstreit musste daher an das LAG zur weiteren Anhörung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))