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  • AutorenbildFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

EuGH, 14.09.2016 - C-16/15: Keine Kettenbefristung zur Abdeckung eines dauerhaften Bedarfs

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich in einem Urteil vom 14.09.2016 mit Fragen des Befristungsrechts zu beschäftigen.

Hintergrund der entschiedenen Rechtssache bildete ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV des Verwaltungsgerichts Nr. 4 Madrid, Spanien vom 16.01.2015. Dieses hatte über den Rechtsstreit zwischen einer Arbeitnehmerin, Frau María Elena Pérez López, und dem Servicio Madrileño de Salud, Comunidad de Madrid (Gesundheitsdienst der Autonomen Gemeinschaft Madrid) zu befinden.

Frau López wurde zunächst für den Zeitraum vom 05.02. bis 31.07.2009 als zum statutarischen Aushilfspersonal gehörende Krankenschwester im Universitätskrankenhaus von Madrid befristet eingestellt.

Nach Ablauf des ersten Arbeitsvertrages wurde die Ernennung von Frau Pérez López mittels jeweils identisch formulierter, befristeter Arbeitsverträge für drei, sechs oder neun Monate siebenmal verlängert, so dass die Arbeitsleistung von Frau Pérez López im Zeitraum vom 05.02.2009 bis zum 31.03.2013 ununterbrochen andauerte.


Symbolbild Krankenschwester bei der Arbeit

(Symbolbild)

Aufgrund von Ausgabenkürzungen sollte der letzte Vertrag eigentlich nicht verlängert werden. Gleichwohl kam es erneut zu einer lückenlosen Anschlussbefristung vom 01.04.2013 bis 30.06.2013.

Schließlich reichte Frau López Klage beim Verwaltungsgericht ein, mit der sie geltend machte, dass ihre aufeinanderfolgenden Ernennungen nicht der Deckung eines konjunkturellen oder außerordentlichen Bedarfs der Gesundheitsdienste dienten, sondern in Wirklichkeit einer dauerhaften Tätigkeit entsprächen. Ihre mehrfachen Befristungen stellen daher eine Umgehung gesetzlicher Vorschriften da.

Das angerufene Gericht hatte Zweifel, ob die Vorgaben des europäischen Rechts gewahrt seien und legte dem EuGH daher eine Reihe von Fragen vor. Diese zielen auf die die Auslegung der Paragrafen 3 bis 5 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist.

Im diesem Zusammenhang machte der EuGH insbesondere die folgenden Ausführungen:

a) Feste Beschäftigungsverhältnisse stellen einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes dar:

"Wie nämlich aus dem zweiten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung sowie aus ihren Allgemeinen Erwägungen 6 und 8 hervorgeht, stellen feste Beschäftigungsverhältnisse einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes dar, während befristete Arbeitsverträge nur unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer entsprechen können (Urteile vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a., C‑212/04, EU:C:2006:443, Rn. 62, vom 3. Juli 2014, Fiamingo u. a., C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13, EU:C:2014:2044, Rn. 55, sowie vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13, C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 73)." (Rdnr. 27)

b) Mitgliedstaaten verfüge über ein Ermessen, mit welchen Maßnahmen sie dem Missbrauch von Kettenbefristungen entgegenwirken:

"Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen, da sie die Wahl haben, auf eine oder mehrere der in Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen oder aber auf bestehende gleichwertige gesetzliche Maßnahmen zurückzugreifen, und zwar unter Berücksichtigung der Anforderungen bestimmter Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien (Urteile vom 3. Juli 2014, Fiamingo u. a., C‑362/13, C‑363/13 und C‑407/13, EU:C:2014:2044, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13, C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 75)." (Rdnr. 29)

c) Vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers zur Deckung eines zeitweiligen Arbeitskräftebedarfs kann einen "sachlichen Grund" darstellen:

"Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die vorübergehende Vertretung eines Arbeitnehmers, um einen zeitweiligen Arbeitskräftebedarf des Arbeitgebers zu decken, einen 'sachlichen Grund' im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung darstellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 23. April 2009, Angelidaki u. a., C‑378/07 bis C‑380/07, EU:C:2009:250, Rn. 101 und 102, vom 26. Januar 2012, Kücük, C‑586/10, EU:C:2012:39, Rn. 30, und vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13, C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 91)." (Rdnr. 44)

d) Nicht gerechtfertigt ist die befristete Verlängerung von Arbeitsverträgen zur Deckung eines ständigen und dauerhaften Bedarfs:

"Die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse zur Deckung eines Bedarfs, der in Wirklichkeit kein zeitweiliger, sondern ein ständiger und dauerhafter ist, ist nämlich nicht im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung gerechtfertigt, da ein solcher Einsatz befristeter Arbeitsverträge oder ‑verhältnisse der Prämisse der Rahmenvereinbarung, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form der Beschäftigungsverhältnisse sind, auch wenn befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigung in bestimmten Branchen oder für bestimmte Berufe und Tätigkeiten charakteristisch sind, unmittelbar zuwiderläuft (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Januar 2012, Kücük, C‑586/10, EU:C:2012:39, Rn. 36 und 37, sowie vom 26. November 2014, Mascolo u. a., C‑22/13, C‑61/13, C‑63/13 und C‑418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 100)." (Rdnr. 48)

e) Im Fall von Frau López liegt offensichtlich kein zeitweiliger Bedarf vor, zumal ein erheblicher Anteil der Stellen in ihrem Arbeitsbereich nur befristet besetzt werden:

"Hierzu ergibt sich aus der Situation der Klägerin des Ausgangsverfahrens, wie sie in der Vorlageentscheidung beschrieben ist, dass die aufeinanderfolgenden Ernennungen von Frau Pérez López zur Sicherstellung von Gesundheitsdienstleistungen im Krankenhausbereich offensichtlich nicht auf einem zeitweiligen Bedarf des Arbeitgebers beruhen." (Rdnr. 50)

"Diese Feststellung wird durch die Einschätzung des vorlegenden Gerichts bestätigt, das die Besetzung von Stellen im Bereich der Gesundheitsdienste mittels Ernennung von befristet beschäftigtem statutarischen Personal als 'weit verbreitetes Übel' einstuft und davon ausgeht, dass ungefähr 25 % der 50 000 Planstellen für Ärzte und Pflegekräfte in der Autonomen Gemeinschaft Madrid mit Personal besetzt sind, das im Rahmen von befristeten Ernennungen mit einer durchschnittlichen Dauer von fünf bis sechs Jahren eingestellt ist, von denen einige aber sogar 15 Jahre ununterbrochene Dienstzeit überschreiten." (Rdnr. 51)

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))


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