BGH, 23.03.2018 - V ZR 307/16: Schwierigkeiten im alten "Ärztehaus" - Anpassungsanspruch?
In einer Entscheidung vom 23.03.2018 hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit Fragen aus dem Recht des Wohnungseigentums zu befassen.
Konkret ging es um ein sog. Ärztehaus, in dem sich sieben Teileinheiten befanden. Die Teilungserklärung aus dem Jahre 1989/1990 sah ein Gebäude "zur beruflichen und gewerblichen Nutzung" vor. Die einzelnen Einheiten dürfen "ausdrücklich beruflich oder gewerblich, insbesondere auch als Apotheke oder Arztpraxis genutzt werden".
In den Anfangsjahren wurde das Gebäude von sechs Arztpraxen und einer Apotheke genutzt. Später wurde ein weiteres Ärztehaus in der Umgebung errichtet. In der Folge wurde es schwieriger, in dem streitgegenständlichen Objekt noch geeignete Mieter zu finden.
(Symbolbild)
Der beklagte Teileigentümer teilte daher seine Einheit auf und vermietete beide Teile als Wohnraum.
Gegen diese - von der Teilungserklärung nicht vorgesehene - Wohnraumnutzung zogen andere Teileigentümer mit einer Unterlassungsklage vor Gericht. Die Kläger verlangten, dass der Beklagte es unterlässt, seine Einheit zu Wohnzwecken zu nutzen.
Der BGH bejahte einen Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG. Diese Bestimmung lautet:
"(3) Jeder Wohnungseigentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht."
In einem ausschließlich der beruflichen und gewerblichen Nutzung dienenden Objekt könne die - von der Teilungserklärung nicht vorgesehene - Nutzung einer Teileigentumseinheit als Wohnraum auch nicht als weniger störende als die vorgesehene Nutzungsform angesehen werden. Denn sie gehe mit typischen Wohnimmissionen (wie Küchengerüchen, Freizeit- und Kinderlärm oder Musik) sowie einem anderen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums (etwa im Flur herumstehenden Gegenständen) einher. Dies geschehe zudem zu anderen Zeiten, nämlich ganztägig und auch am Wochenende. Zudem hätten die Teileigentümer auch ein berechtigtes Interesse daran, dass der professionelle Charakter einer derartigen Anlage erhalten bliebe, um Konflikte, die durch eine in der Teilungserklärung nicht angelegte gemischte Nutzung hervorgerufen werden könnten, von vornherein zu vermeiden.
Der BGH erwog auch das Bestehen eines sog. Anpassungsanspruchs gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 WEG auf Seiten des Beklagten. Diese Bestimmung lautet:
"Jeder Wohnungseigentümer kann eine vom Gesetz abweichende Vereinbarung oder die Anpassung einer Vereinbarung verlangen, soweit ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint."
Der BGH zählte eine Reihe von Umständen auf, die im vorliegenden Falle einen solchen Anpassungsanspruch begründen könnten.
Allerdings würde selbst dessen Bestehen dem Beklagten im vorliegenden Falle rechtlich - im vorliegenden Prozess - nichts bringen:
Nach Auffassung des BGH scheide es nämlich aus, dass der BGH einen solchen Anpassungsanspruch als Einrede gegen den Unterlassungsanspruch geltend machen könnte.
Vielmehr müsste der Beklagte diesen Anpassungsanspruch zunächst im Wege der Klage durchsetzen. Anpassungsbegehren müssten erst in der Teilungserklärung umgesetzt werden, damit klar und eindeutig ist, welche Vereinbarungen für das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander gelten.
(Quelle: BGH, 23.03.2018, V ZR 307/16; Pressemitteilung Nr. 61/2018)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))