BAG, 31.01.2023 - 9 AZR 456/20: Zur Verjährung des Urlaubsabgeltungsanspruchs
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in einer Entscheidung vom 31.01.2023 mit der Frage zu befassen, ob und ab wann der gesetzliche Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung nicht genommenen Urlaubs verjährt. Wie das Gericht entschied, beginnt die dreijährige Verjährungsfrist in der Regel mit dem Ende des Jahres, in dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
Im entschiedenen Fall war der klagende Arbeitnehmer als Ausbildungsleiter bei der beklagten Arbeitgeberin, die eine Flugschule betrieb, seit 09.06.2010 beschäftigt. Ab 19.10.2015 war der Kläger als selbstständiger Dienstnehmer tätig.
Im August 2019 verlangte der Arbeitnehmer klageweise die Abgeltung seines nicht genommenen Urlaubs aus seiner Beschäftigungszeit als Arbeitnehmer. Die vormalige Arbeitgeberin erhob die Verjährungseinrede.
Arbeitsgericht (ArbG) und Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage ab.
Das BAG gestand dem Kläger für die Jahre 2010 bis 2014 eine Urlaubsabgeltung in Höhe von über 37.000,00 € zu. Für 2015 bliebt die Klage dagegen erfolglos.
In seiner Begründung wies das BAG insbesondere auf sein Urteil vom 20.12.2022, 9 AZR 266/20 (Pressemitteilung Nr. 48/22) hin. Demnach können Urlaubsansprüche verjähren, die dreijährige Verjährungsfrist beginnt jedoch erst mit dem Schluss des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch informiert und ihn im Hinblick auf Verfallfristen aufgefordert hat, seinen Urlaub zu nehmen. Der Arbeitgeber hat also gewisse Mitwirkungsobliegenheiten zu erbringen; unterlässt er dies, so kann der offene gesetzliche Urlaub - auch aus ggf. mehreren Jahren - weder nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, noch nach § 195 BGB verjähren. Endet dann das Arbeitsverhältnis, ist der nicht genommene und nicht verjährte Urlaub gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten.
§ 7 Abs. 3 und 4 BUrlG lauten:
"(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten."
Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wandelt sich dann der ursprüngliche Urlaubsanspruch in einen Urlaubsabgeltungsanspruch um.
(Symbolbild)
Wie das BAG weiter ausführte unterliegt auch dieser Urlaubsabgeltungsanspruch wiederum der Verjährung. Für dessen Verjährung kommt es indes nicht auf die Erbringung der oben dargelegten Mitwirkungsobliegenheiten an. Regelmäßig beginnt die dreijährige Verjährungsfrist am Ende des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endetete.
Das BAG unterscheidet also hinsichtlich der Verjährungsvoraussetzungen (Mitwirkungsobliegenheiten) zwischen dem originären Urlaubsanspruch und dem bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Urlaubsabgeltungsanspruch. Es begründet diesen Unterschied mit der geringeren Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Allerdings modifiziert das BAG den Verjährungsbeginn für Altfälle - nämlich für solche vor dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 06.11.2018, C-684/16 - etwas:
Vor dieser EuGH-Entscheidung kannte die Rechtsprechung des BAG einen automatischen Verfall von Urlaubsansprüchen, unabhängig von der Erfüllung der erst später entwickelten Mitwirkungsobliegenheiten, an. Vor diesem Urteil konnte daher vom Kläger nicht erwartet werden, bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 19.10.2015 die Urlaubsabgeltungsansprüche für die Jahre 2010 bis 2014 klageweise einzufordern. Anders war dies dagegen für das Jahr der Beendiguung (2015). Im Ergebnis konnte daher für die Ansprüche betreffend die Jahre 2010 bis 2014 die Verjährung nicht vor dem Ende des Jahres 2018 beginnen.
(Quelle: BAG, Urteil v. 31.01.2023, 9 AZR 456/20; Pressemitteilung Nr. 5/23)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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