Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler
LAG Nürnberg, 19.05.2020 - 7 Sa 304/19: Abmahnung wegen fehlender Mitwirkung an ärztl. Untersuchung
Wie das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg in einem Urteil vom 19.05.2020 entschied, kann ein Arbeitnehmer, der seiner Pflicht, an einer nach § 3 Abs. 5 TV-L zulässiger Weise angeordneten amtsärztlichen Untersuchung mitzuwirken, allein deshalb nicht nachkommt, weil er er sich für den Tag der Untersuchung unter Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung krank meldet, abgemahnt werden.
Im entschiedenen Fall war der am 22.08.1962 geborene Kläger seit 01.07.2002 als Schreiner bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel dem TV-L.
Damit galt auch die Regelung des § 3 Abs. 5 TV-L:
"(5) Der Arbeitgeber ist bei begründeter Veranlassung berechtigt, Beschäftigte zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage sind. Bei dem beauftragten Arzt kann es sich um einen Betriebsarzt, Personalarzt oder Amtsarzt handeln, soweit sich die Betriebsparteien nicht auf einen anderen Arzt geeinigt haben. Die Kosten dieser Untersuchung trägt der Arbeitgeber."
Der Kläger musste im Rahmen seiner Tätigkeit immer wieder schwer heben und tragen.
(Symbolbild)
In 2018 lagen wiederholte Krankheitszeiträume von insgesamt 75 Tagen vor.
Dem Kläger wurde aufgegeben, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Den ersten termin ließ er verlegen. Zum zweiten Termin erschien er nicht. Auf Nachfrage ließ er der Beklagten mitteilen, dass er sich wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet sah, an der zulässigerweise angeordneten medizinischen Untersuchung mitzuwirken.
Unter dem 27.02.2019 wurde er wegen fehlender Mitwirkung an der ärztlichen Untersuchung abgemahnt.
Gegen diese Abmahnung erhob er Klage.
Der Kläger vertrat die Auffassung, dass er wegen seiner Arbeitsunfähigkeit nicht an der Untersuchung, deren Anordnung er nicht in Frage stellte, teilzunehmen.
Zu Unrecht wie das LAG entschied:
Das LAg wies zunächst darauf hin, dass im vorliegenden Fall für den Arbeitgeber "begründete Veranlassung" bestand, eine ärztliche Untersuchung anzuordnen. Die Verletzung der daraus resultierenden Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers könnte sogar "an sich" - nach den Umständen des Einzelfalls - geeignet sein, eine - auch außerordentliche - Kündigung zu rechtfertigen.
Die Beklagte konnte im vorliegenden Fall auch die Vorstellung des Klägers beim ärztlichen Dienst der bayerischen Polizei Termin anordnen.
Die Beklagte habe auch die Grenzen billigen Ermessens gewahrt (§ 106 S. 1 GewO).
§ 106 S. 1 GewO lautet:
"Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. [...]"
Krankheit stünde einer solchen Anordnung nicht generell entgegen; Anhaltspunkte für fehlende Transportfähigkeit oder vom Kläger ausgehende, hohe Ansteckungsgefahren bestanden nicht.
(Quelle: LAG Nürnberg, Urteil v. 19.05.2020, 7 Sa 304/19)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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