LAG Sachsen, 25.11.2020 - 5 Sa 128/20: Unverzügliche Zurückweisung wegen fehlender Vollmachtsurkunde
Bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses handelt es sich um eine sog. einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung. Auf eine solche Erklärung findet, was in der Praxis der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung immer wieder eine Rolle spielt, insbesondere die Bestimmung des § 174 BGB Anwendung.
Diese Bestimmung lautet:
"Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung ist ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber den anderen von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt hatte."
Mit einem diesbezüglichen Rechtsfall hatte sich am 25.11.2020 das Sächsische Landesarbeitsgericht (LAG Sachsen) in einem Berufungsrechtsstreit zu befassen.
(Symbolbild)
Im entschiedenen Fall hatte die Arbeitgeberin, die die Herstellung von Automobilen betreibt, dem Arbeitnehmer mehrere Kündigungen, nämlich vom 21.05.2019, 05.06.2019 und 19.08.2019, zukommen lassen.
Sämtliche drei Kündigungsschreiben wurden von jeweils zwei Personen mit Zusatz "i.V. ... Leiter Personal" als Linksunterzeichner und "i.V. ... Leiterin Personalmanagement" bzw. "i.V. ... Leiterin Personalreferat" als Rechtsunterzeichner/in unterzeichnet. Vollmachtsurkunden wurden keine beigefügt.
Der Kläger wies die Kündigung vom 21.05.2019 mit Schreiben vom 23.05.2019, die vom 05.06.2019 mit Schreiben vom 12.06.2019 sowie die vom 19.08.2019 mit Schreiben vom 20.08.2019 wegen des Fehlens der Originalvollmacht der unterzeichnenden Personen zurück.
Hinsichtlich der Kündigung vom 21.05.2019 wies das LAG darauf hin, dass es von einer unverzüglichen Zurückweisung nach § 174 S. 1 BGB ausgehe. Dabei sei im Falle einer gemeinschaftlichen Vertretung des Arbeitnehmers für jede der als Vertreter auftretenden Personen entweder die Vorlage einer Vollmachtsurkunde oder ein Inkenntnissetzen, jeweils nach § 174 S. 2 BGB, erforderlich. Fehle diese Voraussetzung auch nur bezüglich einer Person, sei eine Zurückweisung nach § 174 S. 1 BGB möglich.
In Bezug auf die Unverzüglichkeit verwies das LAG auf die Umstände des Einzelfalles, wobei es negativ hervorhob, dass nach einer Zeitspanne von mehr als einer Woche ohne Vorliegen besonderer Umstände des Einzelfalles keine Unverzüglichkeit vorläge.
Da hinsichtlich der Kündigung vom 21.05.2019 die Zurückweisung innerhalb einer Woche ab Zugang der Kündigung erfolgte, wurde die Unverzüglichkeit bejaht.
Anders sah es hinsichtlich der Kündigung vom 05.06.2019 aus, die dem Arbeitnehmer taggleich zugegangen sei.
Hier datierte das Zurückweisungsschreiben (in der Form eines Einwurf-Einschreibens) vom 12.06.2019 und konnte daher aufgrund der notwendigen Postlaufzeit nicht mehr innerhalb einer Woche zugegangen sei. Da besondere Umstände für einen ausnahmsweise später liegenden Zurückweisungszeitpunkt nicht ersichtlich waren, wurde die Unverzüglichkeit verneint. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kam es hingegen letztlich auf die Frage der unverzüglichen Zurückweisung nicht an, da das LAG in der Sache selbst einen Kündigungsgrund verneinte.
Gegen das Urteil des LAG Sachsen wurde Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) eingelegt (2 AZR 596/20).
(Quelle: LAG Sachsen, Urteil v. 25.11.2020; 5 Sa 128/20).
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)
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