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  • AutorenbildRechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Michael Kügler

OLG Frankfurt am Main, 27.01.16 - 2 Ss-OWi 893/15: Verstoß gegen Richtlinien zur Verkehrsüberwachung

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hatte sich mit einem Geschwindigkeitsverstoß einer Autofahrerin vom Dezember 2014 zu befassen.

Im entschiedenen Fall fuhr die Betroffene mit 83 km/h (abzüglich Toleranz von 3 km/h), gemessen ca. 80 m nach Passieren des Ortsschildes, statt (innerorts) zulässiger 50 km/h.

Das Amstgericht (AG) Kassel hatte unter anderem ein Regelfahrverbot von einem Monat verhängt.

Die Betroffene machte mit ihrer Rechtsbeschwerde insbesondere einen Verstoß gegen die Richtlinien zur Verkehrsüberwachung durch örtliche Ordnungsbehörden und Polizeibehörden des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 06.01.2006 geltend. Nach deren Nr. 4.1 heisst es:

"...

Messstellen sollen in der Regel mindestens 100 m vom Beginn beziehungsweise Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung entfernt eingerichtet werden. Diese Entfernung kann aus besonderem Grund (zum Beispiel Unfallpunkt, Unfallgefahrenpunkt) unterschritten werden.

..."


Symbolbild alter Tachometer

(Symbolbild)


Das OLG maß dem Verstoß gegen die Richtlnien zwar keine "absolute" Wirkung zu, stellte aber fest, dass die Indizwirkung für ein Fahrverbot entfallen könne. Den Amtsrichter träfen daher in einem solchen Falle bei der Verhängung eines Fahrverbots gesteigerte Darlegungspflichten:

"Grundsätzlich ist dem Amtsgericht dahin zuzustimmen, dass eine Geschwindigkeitsregelung gilt, solange sie nicht durch entsprechende Verkehrszeichen aufgehoben oder geändert wird. Ein Verkehrsteilnehmer handelt daher gemäß § 24 StVG, §§ 3, 49 StVO ordnungswidrig und ist mit einer Geldbuße zu belegen, wenn er die Geschwindigkeitsregelung nicht beachtet; daneben wird in diesen Fällen die Erforderlichkeit eines Fahrverbots zur Einwirkung auf den Betroffenen indiziert, sofern der Tatbestand des Regelfalles erfüllt und die darauf beruhende Vermutungswirkung nicht widerlegt ist. Die Vermutungswirkung kann entfallen, wenn sich die im Bußgeldkatalog als Regelfall umschriebene Handlung nach der notwendigen Würdigung der Umstände des Einzelfalles in objektiver und subjektiver Hinsicht letztlich nicht als 'grobe Pflichtverletzung' erweist (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 25 StVG, Rdnr. 15 m. N.). So kann der für die Verhängung des Fahrverbots erforderliche Handlungsunwert entfallen, wenn die Geschwindigkeitsmessung unter Missachtung der im jeweiligen Bundesland geltenden Richtlinien für den Abstand einer Messung vom Ortsschild erfolgte (vgl. Burmann/ Heß/ Jahnke/ Janker, a. a. O., Rdnr. 17 m. N.). Die Richtlinien sichern nämlich auch die Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer in vergleichbaren Kontrollsituationen, indem sie für alle mit der Verkehrsüberwachung betrauten Beamten verbindlich sind (vgl. BayObLG, NStZ-RR 2002, 345 [BayObLG 19.06.2002 - 1 ObOWi 79/02]; OLG Oldenburg, NZV 1996, 286; OLG Dresden, DAR 2010, 29 - 30; jeweils zit. nach juris).

Das bedeutet, dass der Tatrichter in einem solchen Fall der Verwirklichung eines Regelfalles nicht mehr ohne weiteres Indizwirkung beimessen darf, sondern die Anordnung eines Fahrverbotes besonderer Begründung bedarf. Es bedarf daher näherer Darlegung im Urteil, ob eine Unterschreitung des Abstandes schon nach den Richtlinien selbst gerechtfertigt ist. Ist das zu bejahen, indiziert die Verwirklichung des Regelfalles die Erforderlichkeit eines Fahrverbots zur Einwirkung auf den Betroffenen und bedarf im Übrigen keiner weiteren Darlegungen. Ist die Unterschreitung des Abstandes nach den Richtlinien nicht gerechtfertigt, muss das Amtsgericht darlegen, mit welcher Geschwindigkeit der Betroffene bei einer richtlinienkonform durchgeführten Messung - also in entsprechender Entfernung von dem die Geschwindigkeitsregelung ändernden Schild - gemessen worden wäre und ob eine ggfls. festzustellende Geschwindigkeitsüberschreitung den Tatbestand eines Regelfalles erfüllt hätte, der die Erforderlichkeit eines Fahrverbots indiziert."

Das Verfahren war daher zur weiteren Verhandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

(Quelle: OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 27.01.2016, 2 Ss-OWi 893/15)

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))


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