BGH, 09.02.2018 - V ZR 311/16: Zur Haftung des Hauseigentümers für Handwerkerschäden beim Nachbarn
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte sich am 09.02.2018 in einer Entscheidung zum zivilrechtlichen Nachbarrecht mit der Reichweite der Haftung eines Hauseigentümers für Schäden am Nachbargrundstück durch von eine ihm beauftragte Handwerkerleistung (Heißklebearbeiten am Flachdach) zu befassen.
Dabei kam der BGH zum Ergebnis, dass eine Haftung des den Handwerker beauftragenden Grundstückseigentümers aufgrund des verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gegeben war. Dieser Anspruch bestünde unabhängig davon, ob die Auswahl des Handwerkers sorgfältig erfolgt sei.
§ 906 Abs. 2 BGB lautet:
"(2)
Das Gleiche gilt insoweit, als eine wesentliche Beeinträchtigung durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks herbeigeführt wird und nicht durch Maßnahmen verhindert werden kann, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind. Hat der Eigentümer hiernach eine Einwirkung zu dulden, so kann er von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt."
Für viele Grundstückseigentümer dürfte eine solche Haftung überraschend sein. Oft wird die Vorstellung vorherrschend sein, dass bei Beauftragung etwa eines etablierten und seriösen Fachbetriebs der Grundstückseigentümer alles in seiner Macht Stehende getan habe, um Schäden beim Nachbarn zu verhindern. Sollte es dennoch zu Schäden kommen, sei doch - hoffentlich - allenfalls eine Haftung des (versicherten?) Handwerkers selbst denkbar.
Die Entscheidung des BGHs zeigt nunmehr aber, dass durchaus Vorsicht vor derartigen Fehlvorstellungen geboten ist:
(Symbolbild)
Der im konkreten Fall vom Grundstückseigentümer beauftragte Dachdecker, durch dessen Arbeiten es schließlich zu einem erheblichen Brandschaden am Nachbargebäude kam, wurde zwar zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von € 97.901,29 verurteilt, verfügte aber offenbar nicht über einen (ausreichenden) Versicherungsschutz. Zudem wurde über sein Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet. Er fiel damit als solventer Schuldner aus.
Für die Schäden am Nachbargebäude bestand zwar eine Gebäudeversicherung der Nachbarin, die schließlich an diese eine entsprechende Entschädigung leistete. Allerdings begehrte die Versichererin von den den Dachdecker beauftragenden Grundstückseigentümern ihre Ersatzleistung, gestützt auf § 86 Abs. 1 VVG, zurück.
§ 86 Abs. 1 VVG lautet:
"(1)
Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden."
Schließlich klagte die Versichererin der Nachbarin gegen die den Handwerker beauftragenden Grundstückseigentümer. Nach deren Versterben im Laufe des Prozesses richtete sich die Klage gegen deren Rechtsnachfolger.
Landgericht (LG) und Oberlandesgericht (OLG) entschieden noch zugunsten der Beklagten: Die ursprünglichen Grundstückseigentümer hätten mit der sorgfältigen Auswahl des Handwerkers alles Erforderliche getan, um das Risiko eines Brandschadens für das Nachbargebäude aufgrund der am eigenen Gebäude durchgeführten Flachdacharbeiten auszuschließen.
Auf Revision der klagenden Versichererin wurde das Urteil des OLG dagegen aufgehoben und der Rechtsstreit zur Klärung der Höhe des geltend gemachten Anspruchs zurückverwiesen.
Dem Grunde nach wurde das bestehen eines Anspruchs der Klägerin auf Schadensersatz aus übergegangenem Recht bereits bejaht.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ergäbe sich dieser Anspruch unter dem Gesichtspunkt des verschuldensunbhängigen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs in entsprechender Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB, vorliegend in Verbindung mit § 86 Abs. 1 VVG.
Insbesondere seien die ursprünglichen Grundstückseigentümer als Störer im Rechtssinne anzusehen. Ihnen sei der vom Handwerker herbeigeführte gefahrträchtige Zustand zuzurechnen. Denn sie hätten die Vornahme der Dacharbeiten veranlasst und den aus diesen Arbeiten resultierenden Nutzen ziehen wollen. Mit der Beauftragung des Handwerkers zur Vornahme der Dacharbeiten hätten sie eine Gefahrenquelle geschaffen.
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))