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  • AutorenbildRechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Michael Kügler

BGH, 17.10.2006 - VI ZR 249/05: Zum Wechsel der Abrechnungsart nach einem Verkehrsunfall

Mit Urteil vom 17.10.2006 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über die Abwicklung eines Verkehrsunfalls zu befinden.

Im entschiedenen Fall hatte der Kläger den Schadensersatz für einen - unstreitig - vollumfänglich von Gegenseite verursachten und verschuldeten Verkehrsunfall zunächst auf Basis eines Sachverständigengutachtens - also fiktiv - geltend gemacht. Der Kläger hatte sogar eine (erste) Klage auf dieser Basis erhoben und wieder zurückgenommen, nachdem die Gegenseite entsprechend regulierte.


Symbolbild Unfallfahrzeug

(Symbolbild)


Mit einer weiteren, zweiten Klage machte der Kläger nach weiteren Schadenersatz auf Reparaturkostenbasis geltend, wobei er die aufgrund des ersten Klageverfahrens erhaltenen Beträge - genauer: die Differenz aus dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert - entsprechend anrechnete.

In diesem zweiten Verfahren wurde die Klage vom Berufungsgericht mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger aufgrund seiner ursprünglichen Entscheidung, den Sachschaden fiktiv abzurechnen, an diese Abrechnungsart gebunden sei.

Der BGH folgte dieser Argumentation des Berufungsgerichts nicht. Zumindest in der vom Berufungsgericht angeommenen Allgemeinheit sei eine deratige Bindungswirkung unrichtig:

"Die Ansicht, nach Regulierung des Wiederbeschaffungsaufwandes könnten nunmehr tatsächlich aufgewendete höhere Reparaturkosten nicht mehr geltend gemacht werden, ist in der vom Berufungsgericht angenommenen Allgemeinheit unrichtig. Eine Bindung lässt sich für den hier gegebenen Fall, dass nach der fiktiven Abrechnung auf Wiederbeschaffungsbasis das Fahrzeug alsdann doch repariert wird und nun die konkreten (höheren) Reparaturkosten geltend gemacht werden, weder aus dem Gesetz noch aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats herleiten, auch nicht aus dem Urteil vom 23. März 1976 (....), in dem diese Frage offen gelassen wurde. Sie wird deshalb von Teilen der Rechtsprechung und Literatur abgelehnt (....) und zwar im Ergebnis zu Recht." (Rdnr. 9)

Ob der Geschädigte auf Reparaturkostenbasis oder aber fiktiv abrechnet, betrifft nur die Frage der Abrechnungsmodalität. Beide Abrechnungsarten sind alternativ möglich:

"Ob der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag auf Wiederbeschaffungs- oder auf Reparaturkostenbasis berechnet wird, betrifft lediglich die Abrechnungsmodalität. Gleiches gilt für die Frage, ob fiktiv nach den Feststellungen eines Sachverständigen oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abgerechnet wird. Diese Abrechnungsarten dürfen zwar nicht miteinander vermengt werden (...), sind aber alternativ möglich." (Rdnr. 15)

Eine Bindung tritt auch dann nicht ein, wenn die Schädigerseite den zunächst aufgrund der fiktiven Abrechnung geltend gemachten Betrag bezahlt. Stellt sich zum Beispiel später heraus, dass der Schaden größer ist, so liegt regelmäßig nur eine (verdeckte) Teilleistung der Schädigerseite vor:

"Mit der Zahlung des Versicherers ist in der Regel nur eine Teilforderung erfüllt, wenn sich in der Folge herausstellt, dass der Schaden höher ist, als zunächst gefordert. Die ursprüngliche Forderung stellt sich dann als (verdeckte) Teilforderung dar. Selbst im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung kann die weitere Entwicklung des Schadens bis zu dem aus prozessualen Gründen letztmöglichen Beurteilungszeitpunkt berücksichtigt werden (...). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bemessung der Schadenshöhe ist - im Rahmen der Grenzen des Verjährungsrechts - der Zeitpunkt, in dem dem Geschädigten das volle wirtschaftliche Äquivalent für das beschädigte Recht zufließt." (Rdnr. 16)

Allerdings bestanden im vorliegenden Fall noch klärungsbedürftige Punkte. Der BGH musste daher die Sache zurückverweisen:

"Die Sache ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann die Berufung der Beklagten nicht zurückweisen, weil der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 1, 3 ZPO). Im Streitfall übersteigen die tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten (8.327,57 €) den Wiederbeschaffungswert (7.900,00 €) unterhalb von 130% (= 10.270,00 €); den Parteien muss daher Gelegenheit gegeben werden, zu den vom erkennenden Senat dargelegten Voraussetzungen der Schadensabrechnung in einem solchen Fall (...) vorzutragen. Bei der sodann erforderlichen erneuten Beurteilung des Falles werden auch eventuelle Unklarheiten der bei der Akte befindlichen Rechnungen, ihr erheblicher zeitlicher Abstand zum Unfallgeschehen und zueinander und etwaige Widersprüche zu dem vom vorgerichtlichen Sachverständigen festgestellten unstreitigen Reparaturbedarf in Betracht zu ziehen sein. Die neue Verhandlung gibt zudem Gelegenheit zu prüfen, ob entsprechend dem Vortrag der Beklagten in der Revisionserwiderung vom Abschluss eines Vergleichs ausgegangen werden kann." (Rdnr. 19)

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))


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