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  • AutorenbildRechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Michael Kügler

BGH, 02.02.2010 - VI ZR 139/08: Abrechnung eines Mietwagens nach Verkehrsunfall - Streit um Kosten

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied mit Urteil vom 02.02.2010, dass es für die Frage, ob dem Geschädigten nach einem Verkehrsunfall ein günstigerer Tarif als der sogenannte Unfallersatztarif "ohne weiteres" zugänglich war, darauf ankommt, ob ihm in der konkreten Situation "ohne weiteres" ein günstigeres Angebot eines bestimmten Autovermieters zur Verfügung stand. Die Beweislast dafür, dass der Geschädigte gegen die Schadensminderungspflicht verstoßen habe, weil ihm ein derartiger Tarif "ohne weiteres" zur Verfügung stand, er diesen aber gleichwohl nicht genutzt habe, läge beim Schädiger.

Dem Rechtsstreit lag ein Verkehrsunfall vom 30.04.2005 zugrunde. Die Haftung der Beklagten stand dem Grunde nach außer Streit.

Die Klägerin ließ ihr verunfalltes Fahrzeug (Mitsubishi Galant 2.0 GLS, ) vom 03.05. bis 10.05.2005 reparieren. Während der Reparaturdauer mietete sie einen Audi A 4 1.8 T an, für den sie Mietwagenkosten in Höhe von 1.838,60 € berechnet bekam. Der gegnerische Haftpflichtversicherer zahlte hierauf lediglich 749,82 €.


Symbolbild Auto

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Das Amtsgericht (AG) Dresden hatte die auf Zahlung weiterer Mietwagenkosten gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht (LG) Dresden sprach der Klägerin weitere 162,38 € zu.

Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass der Klägerin nur ein Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten auf der Basis des "Normaltarifs" für acht Anmiettage auf der Grundlage des "Schwacke-Mietpreisspiegels 2006" zustand. Es stehe fest, dass der Klägerin die Anmietung eines PKW zu diesem Normaltarif ohne weiteres möglich gewesen wäre. Die Beweislast dafür, dass kein günstigerer Tarif zur Verfügung stand, trüge im Übrigen die Klägerin als die Geschädigte.

Mit der zugelassenen Revision begehrte der Kläger weitere Mietwagenkosten in Höhe von 883,20 €, die Beklagten mit ihrer Anschlussrevision dagegen die Abweisung der Klage.

Der BGH hob das Urteil des LG auf, soweit es zum Nachteil der Klägerin entschieden hatte auf, und verwies den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurück.

Hier für waren im Wesentlichen folgende Umstände maßgeblich:

Zunächst referierte der BGH die Grundsätze seiner bisherigen Rechtsprechung, wonach der Geschädigte

"vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen [kann], die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann. Der Geschädigte verstößt allerdings nicht allein deshalb gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, weil er ein Kraftfahrzeug zu einem Unfallersatztarif anmietet, der gegenüber dem 'Normaltarif' teurer ist, soweit die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation einen gegenüber dem 'Normaltarif' höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 BGB erforderlich sind (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2008 - VI ZR 234/07 - VersR 2008, 1370 Rn. 14 m.w.N.)." (Rdnr. 10)

Im vorliegenden Fall habe die Klägerin allerdings Umstände vorgetragen, warum ihr eine Anmietung zum "Normaltarif" nicht möglich gewesen sei: Sie habe darauf hingewiesen, dass sie

"nicht in der Lage gewesen [sei], einen Mietpreis vorzufinanzieren, und eine Anmietung zum 'Normaltarif' hätte neben der nicht möglichen Angabe der voraussichtlichen Mietdauer die Leistung einer Sicherheit und Vorauszahlung des Mietpreises mittels einer Kreditkarte erfordert, welche die Klägerin nicht besessen habe." (Rdnr. 11)

Die Klägerin hatte also "unfallspezifische Kostenfaktoren" geltend gemacht, die einen Unfallersatztarif als erforderlich erscheinen lassen könnten.

Allerdings führte der BGH auch aus, dass die Frage der unfallspezifischen Kostenfaktoren - ausnahmsweise - auch offen bleiben könnte, wenn

"zur Überzeugung des Tatrichters feststeht, dass dem Geschädigten die Anmietung zum 'Normaltarif' nach den konkreten Umständen nicht zugänglich gewesen ist. Denn der Geschädigte kann in einem solchen Fall einen den 'Normaltarif' übersteigenden Betrag im Hinblick auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung auch dann als im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erforderlichen Geldbetrag ersetzt verlangen, wenn die Erhöhung nicht durch unfallspezifische Kostenfaktoren gerechtfertigt wäre." (Rdnr. 12)

Weiter betont der BGH die Notwendigkeit, streng zwischen der Frage der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB und der Frage der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB zu trennen. Im letzteren Fall dürften an die Frage, wann ein günstigerer Tarif als der sogenannte Unfallersatztarif "ohne weiteres" zugänglich war, zudem nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden.

Diese Trennung hat insofern eine fundamentale Bedeutung, als sie die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast steuert.

Der BGH warf nun dem Berufungsgericht vor, genau dies im Streitfall verkannt zu haben:

"Im Streitfall geht es nur darum, ob die Erforderlichkeit des in Rechnung gestellten Unfallersatztarifs offen bleiben kann, da die Geschädigte ihrer Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB deshalb nicht nachgekommen ist, weil ihr ein wesentlich günstigerer Tarif 'ohne weiteres' zugänglich gewesen ist. Die dafür maßgeblichen Umstände haben nach allgemeinen Grundsätzen der Schädiger bzw. sein Haftpflichtversicherer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (Senatsurteil vom 24. Juni 2008 - VI ZR 234/07 - aaO Rn. 26)." (Rdnr. 16)

Außerdem habe das Berufungsgericht auch verkannt, welche Anforderungen der BGH an die Feststellung knüpfe, dass ein günstigerer Tarif als der Unfallersatztarif im konkreten Fall "ohne weiteres" für den Geschädigten zugänglich war:

"Im Rahmen des § 254 Abs. 2 BGB war es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht Aufgabe der Klägerin und ihrer Streithelferin 'dezidierte Behauptungen' dazu aufzustellen, wie sich etwaige Mietwagenunternehmer auf eine etwaige Nachfrage nach einem Selbstzahlertarif verhalten hätten. Es oblag vielmehr der Beklagten und in der Begründung seines Urteils dem Berufungsgericht, konkrete Umstände aufzuzeigen, aus denen sich ergibt, dass der Klägerin ein günstigerer Tarif 'ohne weiteres' zugänglich war, weil sie etwa bei der Streithelferin auch ein Fahrzeug zum 'Normaltarif' hätte anmieten können (vgl. Senatsurteil vom 14. Februar 2006 - VI ZR 32/05 - aaO Rn. 1, 9) oder der Haftpflichtversicherer die Klägerin vor der Anmietung auf einen günstigeren Tarif hingewiesen hat. Darauf kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Geschädigte ohne Kenntnisse bezüglich des üblichen Preisniveaus auf Anfragen bei Drittunternehmen gänzlich verzichtet habe. Dies entbindet nicht davon, im konkreten Fall festzustellen, ob sich dies ausgewirkt hat. Daran fehlt es im Streitfall." (Rdnr. 18)

Im Hinblick auf die Anschlussrevision, die erfolglos blieb, führte der BGH noch aus, dass im vorliegenden Fall bei der Schätzung des Normaltarifs auf den "Schwacke-Mietpreisspiegel 2006" zurückgegriffen werden durfte:

"Demgemäß hat der Senat mehrfach ausgesprochen, dass der Tatrichter in Ausübung des Ermessens nach § 287 ZPO den 'Normaltarif' grundsätzlich auch auf der Grundlage des gewichteten Mittels des 'Schwacke-Mietpreisspiegels' im Postleitzahlengebiet des Geschädigten (ggf. mit sachverständiger Beratung) ermitteln kann (vgl. Senatsurteile vom 9. Mai 2006 - VI ZR 117/05 - VersR 2006, 986, 987; vom 30. Januar 2007 - VI ZR 99/06 - aaO Rn. 8; vom 12. Juni 2007 - VI ZR 161/06 - VersR 2007, 1144 Rn. 10; vom 24. Juni 2008 - VI ZR 234/07 - aaO Rn. 22). Er hat auch die Schätzung auf der Grundlage des 'Schwacke-Mietpreisspiegels 2006' als grundsätzlich möglich angesehen (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07 - aaO Rn. 8 ff.; vom 19. Januar 2009 - VI ZR 112/09 - unter II 2, z.V.b.). Die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (vgl. Senatsurteile vom 11. März 2008 - VI ZR 164/07 - aaO Rn. 9; vom 14. Oktober 2008 - VI ZR 308/07 - aaO Rn. 19)." (Rdnr. 25)

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))


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