Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler
BAG, 15.10.2013 - 1 ABR 25/12: Zur Pflicht zur Stellenausschreibung gemäß § 93 BetrVG
Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in einem Beschluss vom 15.10.2013 mit der Reichweite des § 93 BetrVG zu befassen.
§ 93 BetrVG regelt die Pflicht des Arbeitgebers zur Ausschschreibung offener Stellen und lautet:
"Der Betriebsrat kann verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden."
Wichtig: Die Pflicht besteht erst, wenn der Betriebsrat ein entsprechendes Verlangen stellt oder die Betriebsparteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben:
"Nach § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, dass Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebs ausgeschrieben werden. Die Vorschrift schreibt die Ausschreibung von Arbeitsplätzen nicht generell vor. Eine Verpflichtung hierzu besteht nur, wenn der Betriebsrat die Ausschreibung verlangt hat oder die Ausschreibung zwischen den Betriebsparteien vereinbart ist (BAG 1. Februar 2011 - 1 ABR 79/09 - Rn. 13, BAGE 137, 106)." (Rdnr. 18)
(Symbolbild)
Im streitgegenständlichen Verfahren hielt das BAG daran fest, dass sich die Ausschreibungspflicht auch auf solche Arbeitsplätze bezieht, die der Arbeitgeber mit Leiharbeitnehmern besetzen will, sofern deren Einsatzdauer mindestens vier Wochen beträgt:
"Nach der Senatsrechtsprechung besteht die Verpflichtung zur innerbetrieblichen Stellenausschreibung von Arbeitsplätzen auch dann, wenn der Arbeitgeber die in Betracht kommenden Arbeitsplätze mit Leiharbeitnehmern besetzen möchte. Zur Begründung hat der Senat auf den Wortlaut von § 93 BetrVG verwiesen, nach dem der Betriebsrat die innerbetriebliche Ausschreibung von sämtlichen Arbeitsplätzen verlangen kann, die der Arbeitgeber zu besetzen beabsichtigt. Für eine solche Sichtweise sprechen zudem der systematische Zusammenhang zwischen § 93 BetrVG und § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sowie der Normzweck der Vorschrift." (Rdnr. 20)
Dabei stellt das BAG nicht zuletzt darauf ab, dass allein eine Ausschreibung des Arbeitgebers für die Besetzung der Stellen mit Leiharbeitnehmern diese noch nicht dem innerbetrieblichen Arbeitsmarkt entzöge:
"Nach der Senatsrechtsprechung besteht die Ausschreibungspflicht auch dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz mit einem Leiharbeitnehmer besetzen will. Allein hierdurch wird der Arbeitsplatz dem innerbetrieblichen Stellenmarkt nicht entzogen." (Rdnr. 23)
Denn:
"Zur Begründung hat der Senat ua. angeführt, dass die Entscheidungsfreiheit des Arbeitgebers bei der Besetzung von freien Arbeitsplätzen gegenüber bestimmten besonders geschützten Arbeitnehmergruppen eingeschränkt ist. So gewährt § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX den im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmern und den ihnen Gleichgestellten gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Kann der schwerbehinderte Arbeitnehmer die bisher zugewiesenen Tätigkeiten wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, kann dieser unter den in § 81 Abs. 4 SGB IX genannten Voraussetzungen eine anderweitige Beschäftigung und, soweit der bisherige Arbeitsvertrag diese Beschäftigungsmöglichkeit nicht erfasst, eine entsprechende Vertragsänderung verlangen und durchsetzen (BAG 14. März 2006 - 9 AZR 411/05 - Rn. 18). Dies kann zu einem Vorrang des durch § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX geschützten Arbeitnehmers bei der Besetzung des einem Leiharbeitnehmer zugedachten Arbeitsplatzes führen. Ebenso kann der Arbeitgeber aufgrund der Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) gehalten sein, Arbeitnehmern, die aus in ihrer Person liegenden Gründen nicht mehr imstande sind, die ihnen nach § 106 Satz 1 GewO zugewiesene Arbeitsleistung zu erbringen, innerhalb des arbeitsvertraglich vereinbarten Rahmens eine Tätigkeit zu übertragen, zu deren Erbringung sie noch in der Lage sind (BAG 19. Mai 2010 - 5 AZR 162/09 - Rn. 27, BAGE 134, 296). Daher kann der Arbeitgeber auch insoweit verpflichtet sein, einen freien Arbeitsplatz mit einem bereits beschäftigten leistungsgeminderten Arbeitnehmer zu besetzen, wenn ihm die Neubestimmung der auszuübenden Tätigkeit rechtlich möglich und zumutbar ist." (Rdnr. 24)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))