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  • AutorenbildFachanwalt für Mietrecht/WEG-Recht Michael Kügler

BGH, 09.04.2014 - VIII ZR 107/13: Zur Wirkung einer Freigabeerklärung durch den Treuhänder

Der - für Fragen des Wohnraummietrechts zuständige - VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte sich in einem Urteil vom 09.04.2014 unter anderem mit der insolvenzrechtlichen Bestimmung des § 109 Abs. 1 InsO zu befassen.

§ 109 Abs. 1 InsO lautet:

"Ein Miet- oder Pachtverhältnis über einen unbeweglichen Gegenstand oder über Räume, das der Schuldner als Mieter oder Pächter eingegangen war, kann der Insolvenzverwalter ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung kündigen; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Monatsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Ist Gegenstand des Mietverhältnisses die Wohnung des Schuldners, so tritt an die Stelle der Kündigung das Recht des Insolvenzverwalters zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Kündigt der Verwalter nach Satz 1 oder gibt er die Erklärung nach Satz 2 ab, so kann der andere Teil wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses oder wegen der Folgen der Erklärung als Insolvenzgläubiger Schadenersatz verlangen."


Symbolbild Hamburg

(Symbolbild)


Im entschiedenen Fall hatte der Mieter ab 01.04.2007 eine Wohnung in Hamburg angemietet. In diesem Zusammenhang legte er eine (gefälschte) Vormieterbescheinigung vor, wonach das vorangegangene Mietverhältnis beanstandsfrei verlaufen sei, er insbesondere seine Miete pünktlich gezahlt habe.

Am 05.11.2009 wurde über das Vermögen des Mieters das Insolvenzverfahren eröffnet. Es wurde ein Treuhänder eingesetzt. Dieser erklärte unter dem 03.12.2009 die "Freigabe" des Mietverhältnisses gemäß § 109 Abs. 1 S. 2 InsO (siehe oben).

Unter dem 16.09.2010 erklärten die Vermieter die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses, gestützt auf die gefälschte Vormieterbescheinigung.

Der BGH führte hierzu folgendes aus:

Mit der Freigabeerklärung des Treuhänders falle mit dem Fristablauf die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Mietverhältnis wieder an den Mieter zurück. Eine Kündigung sei ab diesem Zeitpunkt wieder an den Mieter zu richten:

"Zwar geht die Erklärung des Treuhänders nach dem Wortlaut des §109 Abs. 1 Satz 2 InsO lediglich dahin, dass die Masse für künftige Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis nicht mehr hafte. Daraus, dass die Erklärung nach § 109 Abs.1 Satz 2 InsO an die Stelle der Kündigung tritt, ergibt sich indes, dass die Zuständigkeit des Verwalters für die weitere Vertragsdurchführung ab diesem Zeitpunkt wieder dem Mieter zufällt, dieser also die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis zurückerhält." (Rdnr. 14)

Im Übrigen könne auch die gefälschte Vormieterbescheinigung einen fristlosen Kündigungsgrund darstellen:

"Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass die Vorlage einer gefälschten oder 'frei erfundenen' Vorvermieterbescheinigung eine erhebliche Verletzung (vor)vertraglicher Pflichten darstellt, die eine Vertragsfortsetzung für den Vermieter unzumutbar machen und die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen kann." (Rdnr. 17)

Dabei nimmt der BGH auch Stellung zu dem möglichen Inhalt einer Vormieterbescheinigung:

"Entgegen der Auffassung der Revision entfällt eine Pflichtverletzung nicht deswegen, weil die in dem Formular über das vorangegangene Mietverhältnis gestellten Fragen unzulässig gewesen wären und es dem Beklagten deshalb freigestanden hätte, insoweit unwahre Angaben zu machen. Fragen nach der Person und Anschrift des Vorvermieters, der Dauer des vorangegangenen Mietverhältnisses und der Erfüllung der mietvertraglichen Pflichten sind - ebenso wie Fragen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen - grundsätzlich geeignet, sich über die Bonität und Zuverlässigkeit des potentiellen Mieters ein gewisses Bild zu machen; es handelt sich auch nicht um Fragen, die den persönlichen oder intimen Lebensbereich des Mieters betreffen und aus diesem Grund unzulässig sein könnten." (Rdnr. 18)

Fest hält der BGH allerdings an seiner früheren Rechtsprechung, wonach ein Vorvermieter zur Ausstellung einer derartigen Bescheinigung nicht verpflichtet wäre:

"Zwar hat der Mieter nach der Rechtsprechung des Senats (....) keinen Anspruch gegen seinen bisherigen Vermieter auf Ausstellung einer Mietschuldenfreiheitsbescheinigung. Dies führt entgegen der Auffassung der Revision aber nicht dazu, dass der neue Vermieter vor Abschluss eines Mietvertrages eine diesbezügliche Bescheinigung vom Mietinteressenten nicht erbitten und dieser eine solche Bescheinigung fälschen dürfte." (Rdnr. 19)

Klärungsbedürftig war aber noch die Frage, wie lange dem letzten Vermieter der Umstand der Fälschung der Vormieterbescheinigung bekannt gewesen sei. Längere Kenntnis könnte dann der Berechtigung zur fristlosen Kündigung entgegenstehen:

"Mit Erfolg rügt die Revision indes, dass das Berufungsgericht das unter Beweis gestellte Vorbringen des Klägers, den Beklagten sei bereits im Jahr 2007 bekannt geworden, dass die vom Kläger vorgelegte Bescheinigung des Vorvermieters gefälscht war, nicht berücksichtigt hat. Dieses Vorbringen ist erheblich, weil in diesem Fall die am 16. September 2010 - also drei Jahre später - ausgesprochene Kündigung möglicherweise nicht mehr innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt wäre und sie deshalb mit Rücksicht auf Treu und Glauben oder nach § 314 Abs. 3 BGB (...) unwirksam sein könnte." (Rdnr. 20)

(Hinweis: Die Kündigung vom 16.09.2010 wurde offenbar "nur" als fristlose Kündigung und nicht hilfsweise als ordentliche Kündigung ausgesprochen (vgl. Rdnr. 2) - dies könnte sich für den Vermieter möglicher Weise noch nachteilig auswirken.)

Der Rechtsstreit musste daher zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen werden.

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))


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