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AutorenbildFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

BAG, 09.09.2015 - 7 ABR 69/13: Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Normen und Abmahnung

Mit einer interessanten Konstellation hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Entscheidung vom 09.09.2015 zu befassen:

1.

Ein Betriebsratsvorsitzender hatte eine Rundmail mit dem Text einer Betriebsvereinbarung verfasst und diese nicht nur im örtlichen Betrieb, sondern - als "Hilfestellung" für die Arbeit der übrigen Betriebsräte - an Mitarbeiter des gesamten Konzerns versandt.

Die Arbeitgeberin sprach darauf hin eine "Abmahnung als Betriebsrat" aus, in der sie dem Betriebsratsvorsitzenden unter anderem eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses androhte.

In diesem Vorgehen sahen der Betriebsrat und dessen Vorsitzender eine unzulässige Behinderung der Tätigkeit des Betriebsrates im Sinne des § 78 S. 1 BetrVG und stellten darauf basierend im Wege des Beschlussverfahrens verschiedene Anträge.

Der Betriebsrat und dessen Vorsitzender gingen also gegen die "Abmahnung" kollektivrechtlich vor. Sie nutzten das für Streitigkeiten der Betriebsparteien konzipierte spezielle arbeitsrechtliche Beschlussverfahren - im Gegensatz zu dem auf Streitigkeiten im individuellen Arbeitsverhältnis zugeschnittenen Urteilsverfahren.


Symbolbild Gesetzbücher

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2.

Die Anträge des Betriebsrats (als Gremium) wurden vom BAG abgewiesen. Hierfür war im wesentlichen der Umstand maßgeblich, dass dem Betriebsrat die Rechtsmacht fehlt, die Verletzung individueller Rechte zu verfolgen:

"Aus § 78 Satz 1 BetrVG folgt aber kein Anspruch des Betriebsrats auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte eines seiner Mitglieder. Hierbei handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht des betroffenen Betriebsratsmitglieds, das diesem und nicht einem dritten Gremium zusteht. Dem Betriebsrat kommt kein - im Wege der Rechtsfortbildung anzunehmendes - kollektivrechtlich begründetes Recht zu, hinter dem die Individualrechte der Betriebsratsmitglieder zurückzutreten hätten." (Rdnr. 25)

3.

Dem Antrag des Vorsitzenden des Betriebsrats (als Einzelperson) auf Entfernung der Abmahnung (Abmahnungsentfernungsantrag) wurde dagegen entsprochen:

Dabei konnte das BAG sogar offen lassen, ob der Betriebsratsvorsitzende überhaupt gegen betriebsverfassungsrechtliche Pflichten verstoßen hat. Denn das vom Arbeitgeber gewählte Mittel der dem individuellen Arbeitsrecht (Arbeitsvertragsrecht) entnommenen Abmahnung sei im vorliegenden Falle auf jeden Fall rechtlich unzulässig.

Wird nämlich ausschließlich die Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher (kollektivrechtlicher) Pflichten gerügt, kommt eine arbeitsvertragliche (individualrechtliche) Abmahnung nicht in Betracht:

"Verletzt ein Betriebsratsmitglied ausschließlich betriebsverfassungsrechtliche Amtspflichten, sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BAG 26. Januar 1994 - 7 AZR 640/92 - zu A II 2 der Gründe mwN; 10. November 1993 - 7 AZR 682/92 - zu 5 a der Gründe; 15. Juli 1992 - 7 AZR 466/91 - zu 2 b aa der Gründe, BAGE 71, 14) vertragsrechtliche Sanktionen wie der Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung oder einer individualrechtlichen Abmahnung, mit der kündigungsrechtliche Konsequenzen in Aussicht gestellt werden, ausgeschlossen." (Rdnr. 41)

4.

Interessant wäre noch gewesen wie sich das BAG zu einer "gemischten" Abmahnung verhalten hätte, also einer solchen, in der sowohl die Verletzung von Amtspflichten, als auch die von arbeitsvertraglichen Pflichten gerügt worden wäre. Insbesondere, ob eine betriebsverfassungsrechtliche Abmahnung überhaupt möglich ist. Diese Fragen stellten sich im vorliegenden Fall nicht (mehr), da bereits der individualrechtliche Teil des Abmahnschreibens unwirksam war, was - so muss man das BAG verstehen - entsprechend allgemeiner Grundsätze die gesamte Abmahnung infiziert.


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