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  • AutorenbildRechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Michael Kügler

EuGH, 04.06.2015 - C-497/13: Zur Auslegung der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich in seinem Urteil vom 04.06.2015 mit der Auslegung der Richtlinie 1999/44/EG ("Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter") zu befassen. Hintergrund bildete ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Gerechtshof Arnhem‑Leeuwarden (Niederlande) im September 2013.

In dem Verfahren ging es um einen Gebrauchtwagenkauf in den Niederlanden. Das gekaufte Fahrzeug hatte innerhalb von sechs Monaten ab Übergabe Feuer gefangen und brannte aus. Das Fahrzeug wurde verschrottet und die Käuferin verlangte Schadensersatz:

"Am 27. Mai 2008 erwarb Frau Faber beim Autohaus Hazet einen Gebrauchtwagen. Für den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag wurde ein vorgedrucktes Formular mit dem Briefkopf des Autohauses und der Überschrift 'Kaufvertrag Privatpersonen' verwendet.

Am 26. September 2008 fing das Fahrzeug während einer Fahrt Feuer und brannte vollständig aus. Frau Faber, die das Fahrzeug führte, war auf dem Weg zu einem geschäftlichen Termin in Begleitung ihrer Tochter.

Das Fahrzeug wurde von einem Abschleppwagen zum Autohaus Hazet und dann auf dessen Bitte zu einem Verschrottungsunternehmen gebracht, um dort gemäß den geltenden umweltrechtlichen Vorschriften gelagert zu werden. Frau Faber behauptet, aber das Autohaus Hazet bestreitet, dass sich die Parteien bei dieser Gelegenheit über den Brand und die etwaige Haftung des Autohauses unterhalten hätten.


Luxemburg

(Symbolbild)

Anfang 2009 meldete sich das Autohaus Hazet telefonisch bei Frau Faber, die ihm erklärte, dass sie auf den Bericht der Polizei über den Brand warte. Auf Anfrage von Frau Faber teilte ihr die Polizei jedoch mit, dass kein technischer Bericht erstellt worden sei.

Am 8. Mai 2009 wurde das betreffende Fahrzeug verschrottet, nachdem das Autohaus Hazet zuvor darüber informiert worden war.

Mit Schreiben vom 11. Mai 2009 teilte Frau Faber dem Autohaus Hazet mit, dass sie es für den Schaden haftbar mache, der ihr aus der Zerstörung ihres Fahrzeugs durch den Brand entstanden sei. Diesen Schaden in Höhe des Kaufpreises des Fahrzeugs und des Wertes verschiedener darin befindlicher Gegenstände bezifferte Frau Faber auf 10 828,55 Euro.

Anfang Juli 2009 beauftragte Frau Faber einen Gutachter mit einer technischen Untersuchung zur Ermittlung der Ursache des Fahrzeugbrands. Da das Fahrzeug inzwischen zerstört worden war, konnte das Gutachten nicht erstellt werden."

(Rdnrn. 17 - 23)

Die Käuferin nahm gerichtliche Hilfe in Anspruch. Schließlich landete der Fall beim Gerechtshof Arnhem‑Leeuwarden (Niederlande), einem Rechtsmittelgericht.

Dieses Gericht legte dem EuGH sieben (!) Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Aus den Antworten des EuGH:

Der EuGH lässt anklingen, dass ein nationales Gericht aufgrund des europarechtlichen Grundsatzes der Effektivität gehalten sein könnte, von sich aus die Verbrauchereigenschaft des Anspruchstellers zu erfragen:

"Der Grundsatz der Effektivität verlangt vielmehr, dass in einem Rechtsstreit über einen Vertrag, der möglicherweise in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt, das mit dem Rechtsstreit befasste nationale Gericht, sofern es über die dafür nötigen rechtlichen und tatsächlichen Anhaltspunkte verfügt oder darüber auf ein einfaches Auskunftsersuchen hin verfügen kann, die Frage prüft, ob der Käufer als Verbraucher eingestuft werden kann, selbst wenn er sich nicht ausdrücklich auf diese Eigenschaft berufen hat." (Rdnr. 46)

Dies wäre unabhängig davon, ob der Anspruchsteller anwaltlich vertreten ist oder nicht:

"Es ist hinzuzufügen, dass die Frage, ob der Verbraucher anwaltlich vertreten wird oder nicht, an dieser Schlussfolgerung nichts zu ändern vermag, da die Auslegung des Unionsrechts sowie die Tragweite der Grundsätze der Effektivität und der Äquivalenz von den konkreten Umständen jedes Einzelfalls unabhängig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Rampion und Godard, C‑429/05, EU:C:2007:575, Rn. 65)." (Rdnr. 47)

Weiter führt der EuGH aus, dass das nationale Gericht, soweit nach seinem Verfahrensrecht möglich, die im nationalen Recht der Umsetzung des Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie (Beweislastumkehr innerhalb der ersten sechs Monate) dienende nationale Bestimmung von Amts wegen anwenden muss:

"In Anbetracht von Natur und Bedeutung des öffentlichen Interesses, auf dem der Schutz beruht, den Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 für den Verbraucher sicherstellt, ist diese Bestimmung als eine Norm zu betrachten, die den nationalen Bestimmungen, die im innerstaatlichen Recht zwingend sind, gleichwertig ist. Daraus folgt, dass das nationale Gericht, sofern es im Rahmen seines nationalen Rechtspflegesystems über die Möglichkeit verfügt, eine solche Norm von Amts wegen anzuwenden, von Amts wegen jede Bestimmung seines innerstaatlichen Rechts anwenden muss, die diesen Art. 5 Abs. 3 umsetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil Asturcom Telecomunicaciones, C‑40/08, EU:C:2009:615, Rn. 52 bis 54 und die dort angeführte Rechtsprechung)." (Rdnr. 56)

(Anmerkung: Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie lautet:

"(3) Bis zum Beweis des Gegenteils wird vermutet, daß Vertragswidrigkeiten, die binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar werden, bereits zum Zeitpunkt der Lieferung bestanden, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art des Gutes oder der Art der Vertragswidrigkeit unvereinbar.")

Ferner weist der EuGH darauf hin, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie so auszulegen ist, dass der Verbraucher hinsichtlich der in den ersten sechs Monaten aufgetretenen Vertragswidrigkeit weder deren Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen muss, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist:

"Daher ist auf die sechste Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 1999/44 dahin auszulegen ist, dass die Regel, wonach vermutet wird, dass die Vertragswidrigkeit bereits zum Zeitpunkt der Lieferung des Gutes bestand,

– zur Anwendung gelangt, wenn der Verbraucher den Beweis erbringt, dass das verkaufte Gut nicht vertragsgemäß ist und dass die fragliche Vertragswidrigkeit binnen sechs Monaten nach der Lieferung des Gutes offenbar geworden ist, d. h., sich ihr Vorliegen tatsächlich herausgestellt hat. Der Verbraucher muss weder den Grund der Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen, dass deren Ursprung dem Verkäufer zuzurechnen ist;

– von der Anwendung nur dadurch ausgeschlossen werden kann, dass der Verkäufer rechtlich hinreichend nachweist, dass der Grund oder Ursprung der Vertragswidrigkeit in einem Umstand liegt, der nach der Lieferung des Gutes eingetreten ist." (Rdnr. 75)

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))


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