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  • AutorenbildFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

BAG, 11.08.2015 - 9 AZR 98/14: Sind Zirkusartisten Arbeitnehmer?

In seiner Entscheidung vom 11.08.2015 hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der Frage zu befassen, ob Zirkusartisten Arbeitnehmerstatus besitzen.

Im entschiedenen Fall war zwischen den Klägern, einer Artistengruppe, und dem beklagten Zirkusunternehmen in einem als "Vertrag über freie Mitarbeit" bezeichneten Dokument vereinbart worden, dass die Kläger eine bestimmte, in einem Video dokumentierte Artistennummer („Hochseil- und Todesradnummer … gesehen wie auf dem Video bei Youtube“) darbieten.

Symbolbild Zirkus

(Symbolbild)

In der Premierenveranstaltung verunglückte einer der Kläger. Anlässlich dieses Unglücks erfuhren die Kläger, dass sie von dem beklagten Zirkusunternehmen nicht krankenversichert wurden. Sie weigerten sich daher, weitere Auftritte vorzunehmen. Dies wiederum nahm das Zirkusunternehmen zum Anlass, den Klägern frislos, hilfsweise ordentlich zu kündigen.

Die Kläger, davon ausgehend, dass ein Arbeitsverhältnis vorläge, erhoben daraufhin Kündigungsschutzklage.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht entschieden unterschiedlich.

Das BAG lehnte ein Arbeitsverhältnis ab. Die Kündigungsschutzklage war somit ohne Erfolg.

Nach Auffassung des BAG liegt dann, wenn eine Artistengruppe eine (genau bestimmte) Artistennummer, wie in einem Video dokumentiert, zusagt, regelmäßig kein Arbeitsverhältnis vor.

Das BAG wies zunächst auf die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses hin. Dieser Bezeichnung komme im vorliegenden Fall Bedeutung zu, da die vertraglich vereinbarte Tätigkeit "typologisch" durchaus sowohl in einem Arbeitsverhältnis, als auch weisungsfrei erbracht werden könne:

"Kann die vertraglich vereinbarte Tätigkeit - wie im Streitfall - typologisch sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch selbstständig erbracht werden, ist die Entscheidung der Vertragspartner für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen." (Rdnr. 22)

Weiter bezeichnete der Vertrag die von den Klägern geschuldete Leistung so genau, dass für arbeitgebertypisches Weisungsrecht kein Raum mehr verblieb:

"Gegenstand der von den Klägern geschuldeten Tätigkeit ist eine 'Hochseil- und Todesradnummer mit jeweils 4 Personen (gesehen wie auf dem Video bei Youtube vom 20.02.2010, eingestellt von C)' (§ 1 des Vertrags). Eine derart präzise Beschreibung dessen, was die Kläger schulden, verdeutlicht, dass die Beklagte nicht Arbeitnehmer einstellen wollte, sondern für ihren Zirkus eine inhaltlich fest umrissene Leistung 'einkaufte'. Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Urheber der geschuldeten Leistung allein die Kläger waren, nicht aber die Beklagte. Infolge der Leistungsbeschreibung verbleibt für ein die geschuldete Leistung ausgestaltendes Weisungsrecht der Beklagten, wie es für ein Arbeitsverhältnis kennzeichnend ist, kein Raum." (Rdnr. 23)

Darüber hiaus schuldeten die Kläger auch keine (auschließliche) persönliche Leistungserbringung, sondern durften Drittpersonen einsetzen:

"Gegen die Annahme, der die Parteien verbindende Vertrag habe einen arbeitsvertraglichen Inhalt, spricht zudem der Umstand, dass der Vertrag die Kläger nicht verpflichtet, die geschuldete Leistung in Person zu erbringen. § 1 des Vertrags verlangt lediglich die Darbietung zweier Zirkusnummern unter Mitwirkung von 'jeweils 4 Personen'. Dem Vertrag ist nicht zu entnehmen, dass es sich bei diesen Personen um die Kläger handeln muss. Eine Ergänzung hierzu enthält § 3 Abs. 1 des Vertrags. Dort ist bestimmt, dass die Kläger sich für die Erbringung der von ihnen geschuldeten Dienstleistung der 'Hilfe Dritter bedienen' können. Räumt der Vertragspartner dem Dienstnehmer das Recht ein, Dritte in die Leistungserbringung einzubinden, ist dies ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit." (Rdnr. 25)

Weiter wies das BAG daraufhin, dass die Kläger auch eigene Arbeitsmaterialien nutzten:

"Die Kläger erbrachten ihre Leistungen im Wesentlichen unter Verwendung eigener Arbeitsmaterialien. Sowohl die Hochseilanlage als auch das 'Todesrad' stehen in ihrem, nicht aber im Eigentum der Beklagten." (Rdnr. 29)

Insgesamt lag daher nach Auffassung des BAG kein Arbeitsverhältnis, sondern ein freies Dienstverhältnis vor.


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