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  • AutorenbildFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

BAG, 19.02.2015 - 8 AZR 1011/13: Zum Einwilligungserfordernis bei Videoaufnahmen durch Arbeitgeber

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in seiner Entscheidung vom 19.02.2015 mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen eine Arbeitgeberin Videoaufnahmen, die (auch) einen (ehemaligen) Arbeitnehmer zeigen, nach dessen Ausscheiden weiter veröffentlicht werden dürfen.

Hintergrund des Rechtsstreits bildete ein von 2007 bis September 2011 bestehendes Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten, einem Unternehmen für Klima- und Kältetechnik mit etwa 30 Arbeitnehmern.

Im Herbst 2008 hatte der Kläger schriftlich seine Einwilligung erklärt, wonach die Beklagte von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen macht und diese für ihre Öffentlichkeitsarbeit verwendet und ausstrahlt. Im Anschluss hatte die Beklagte einen Werbefilm hergestellt, in dem der Kläger zweimal erkennbar ist. Der Werbefilm war über die Homepage einsehbar.


Symbolbild Klimaanlage

(Symbolbild)

Im November 2011 erklärte der Kläger den Widerruf seiner Einwilligung und verlangte schließlich Unterlassung weiterer Veröffentlichung und Schmerzensgeld.

Die Klage war vor dem BAG erfolglos: Der Kläger habe seine schriftliche Einwilligung erteilt. Diese erlösche nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Für seinen Widerruf habe er keinen plausiblen Grund angegeben. Eine weitere Veröffentlichung könne daher nicht untersagt werden.

Im Einzelnen führte das BAG aus:

Die Videoaufnahmen stellen "Bildnisse" des Klägers im Sinne des § 22 KUG dar. Denn der Kläger war erkennbar und in den beiden Szenen auch kein bloßes Beiwerk.

§ 22 KUG lautet:

"Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. ..."

Diese Vorschrift verlangt eine Einwilligung, d.h. eine vorherige Zustimmung.

Soweit § 22 KUG keine Formerfordernisse aufstelle, sei gleichwohl - so das BAG - im vorliegenden Falle im Wege verfassungskonformer Auslegung eine schriftliche Zustimmung zu verlangen:

"... Wegen der Bedeutung des Rechts der Arbeitnehmer, auch im Arbeitsverhältnis ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben zu dürfen, führt eine solche Abwägung im Ergebnis dazu, dass auch und gerade im Arbeitsverhältnis die Einwilligung der Arbeitnehmer der Schriftform bedarf. Nur dadurch kann verdeutlicht werden, dass die Einwilligung der Arbeitnehmer zur Veröffentlichung ihrer Bildnisse unabhängig von den jeweiligen Verpflichtungen aus dem eingegangenen Arbeitsverhältnis erfolgt und dass die Erteilung oder Verweigerung der Einwilligung für das Arbeitsverhältnis keine Folgen haben dürfen." (Rdnr. 25)

Eine solche schriftliche Einwilligung lag im vorliegenden Fall vor. Sie wurde auch anlassbezogen eingeholt und war insbesondere nicht etwa schon in allgemeiner Form im Arbeitsvertrag beinhaltet:

"Die Einwilligung wurde auch aus Anlass des hinreichend genau bezeichneten Auftrags an die Firma K von der Beklagten eingeholt, die im Vorblatt zum Ausdruck gebracht hat, dass das Einverständnis 'zur freien Nutzung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit' der Beklagten 'verwendet und ausgestrahlt werden' darf. Es handelte sich also um eine anlassbezogene Einwilligung, die im Einzelfall eingeholt, klar bezeichnet und nicht zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt wurde. Insbesondere ist es auch keine Einwilligung, die vorab in allgemeiner Form im Arbeitsvertrag erteilt worden wäre." (Rdnr. 28)

Die Einwilligung war auch nicht für das Arbeitsverhältnis befristet erteilt. Eine solche Befristung ergab sich auch nicht im Wege der Auslegung, da die Videosequenzen nur der Illustration von Arbeitsabläufen dienten und keinen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers Bezug nehmenden Inhalt beinhalteten:

"Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass jedenfalls dann, wenn das Bild oder der Film reinen Illustrationszwecken dient und keinen auf die individuelle Person des Arbeitnehmers Bezug nehmenden Inhalt transportiert, das Einverständnis des Arbeitnehmers nicht automatisch im Zuge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses endet, sondern vielmehr der Arbeitnehmer ausdrücklich Solches erklären muss. Die tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, im Streitfall sei ein individueller Bezug der Filmaufnahmen auf die Person des Klägers nicht gegeben, weil beide fraglichen Videosequenzen reinen Illustrationszwecken dienten, nämlich der Darstellung von Arbeitsabläufen im Betrieb der Beklagten. Dies gilt auch für die weitere Würdigung des Berufungsgerichts, der handschriftliche Vermerk 'Belegschaft' auf dem Erklärungsformular ließe nicht den Schluss zu, dass die Einwilligung nur für die Dauer der Belegschaftszugehörigkeit des Klägers Gültigkeit entfalten sollte. Ein Fall der offensichtlichen Beschränkung der Einwilligung des Arbeitnehmers nur auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses liegt erkennbar nicht vor (vgl. Hessisches LAG 24. Januar 2012 - 19 SaGa 1480/11 -)." (Rdnr. 34)

Schließlich entnimmt das BAG der Bestimmung des § 28 Abs. 3a S. 1aE BDSG den Umkehrschluss, dass eine einmal erteilte Einwilligung

"nicht generell 'jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann'“. (Rdnr. 36)

§ 28 Abs. 3a S. 1 BDSG lautet:

"(3a) Wird die Einwilligung nach § 4a Absatz 1 Satz 3 in anderer Form als der Schriftform erteilt, hat die verantwortliche Stelle dem Betroffenen den Inhalt der Einwilligung schriftlich zu bestätigen, es sei denn, dass die Einwilligung elektronisch erklärt wird und die verantwortliche Stelle sicherstellt, dass die Einwilligung protokolliert wird und der Betroffene deren Inhalt jederzeit abrufen und die Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. ..."

Im vorliegenden Falle ergebe eine Abwägung der beiderseitigen Interessen keine Verpflichtung der Arbeitgeberin, die Veröffentlichung der Videoaufnahmen zu unterlassen:

"In diesem Zusammenhang kann der Arbeitnehmer grundsätzlich anführen, dass mit seiner Person und mit der Abbildung seiner Erscheinung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nicht weiter für das Unternehmen geworben werden soll. Dies gilt jedenfalls in dem Fall, in dem für die Verwendung zu Werbezwecken eine Vergütung nicht erfolgt war. Es muss aber mit der Person des ausgeschiedenen Arbeitnehmers oder mit seiner Funktion im Unternehmen geworben werden. Bei einer allgemeinen Darstellung des Unternehmens, auch wenn diese aus Werbezwecken erfolgt ist und ins Internet gestellt wird, bei der die Person und Persönlichkeit des Arbeitnehmers nicht hervorgehoben, sein Name nicht genannt und die Identität seiner Person auch sonst nicht herausgestellt wird und bei der zudem beim Betrachter nicht zwingend der Eindruck entsteht, es handele sich um die aktuelle Belegschaft, kann von einer wirtschaftlichen und persönlichkeitsrelevanten Weiter-„verwertung“ der Abbildung des Arbeitnehmers nicht ausgegangen werden. So wenig wie Arbeitnehmer, hier also der Kläger, aufgrund einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht gehalten sind, der Verwendung und Herstellung ihrer Abbildung während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen, so wenig können sie ihre einmal wirksam erteilte Einwilligung allein aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses widerrufen. Im Ergebnis der in solchen Fällen vorzunehmenden Gesamtabwägung ist vielmehr zu verlangen, dass der widerrufende Arbeitnehmer einen Grund im Sinne einer Erklärung angibt, warum er nunmehr, anders als bei der Jahre zurückliegenden Erteilung der Einwilligung, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung gegenläufig ausüben will." (Rdnr. 37)

Maßgeblich war also unter anderem, dass der Kläger nur Teil einer allgemeinen Darstellung des Unternehmens war und nicht (speziell) mit seiner Person oder Funktion im Unternehmen geworben wurde.

(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler)


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