BGH, 26.04.2016 - VI ZR 563/15: Schadensminderungspflicht bei der Anmietung eines Unfallersatzwagen
In seinem Urteil vom 26.04.2016 hatte sich der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit der Frage eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht bei Anmietung eines Mietwagens nach einem Verkehrsunfall zu befassen.
Im entschiedenen Fall ging es um einen Verkehrsunfall vom 27.09.2012.
Die Einstandspflicht der Beklagten stand dem Grunde nach außer Streit.
Mit seiner Klage machte der unfallgeschädigte Kläger restliche Mietwagekosten geltend.
(Symbolbild)
Insofern lag folgender Sachverhalt zugrunde:
"Am Vormittag des 28. September 2012 führte der Kläger mit einem Mitarbeiter der Beklagten ein Telefonat über den vorgenannten Verkehrsunfall, wobei ihm nach dem Sachvortrag der Beklagten angeboten worden sei, ihm einen Mietwagen zu einem günstigenTagespreis zu vermitteln. Darauf sei der Kläger jedoch nicht eingegangen. Am Nachmittag desselbenTages mietete der Kläger bei der Autovermietung L. GmbH ein dem unfallbeschädigten PKW vergleichbares Mietfahrzeug an. Für die Mietdauer bis zum 12.Oktober 2012 berechnete ihm das Mietwagenunternehmen Kosten in Höhe von 1.632,82 €. Die Beklagte zahlte an den Kläger lediglich Mietwagenkosten in Höhe von 570 €, die bei Anmietung eines Mietfahrzeuges zu einem Tagesmietpreis von 38 € angefallen wären. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger den Differenzbetrag von 1.062,82 € nebst Zinsen geltend." (Rdnr. 2)
Die Klage war vor Amtsgericht (AG) und Landgericht (LG) erfolglos. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sie vor dem BGH weiter.
Die Revision blieb ebenfalls erfolglos. Der BGH sprach dem Kläger keine weiteren Mietwagenkosten zu.
Der BGH wies zunächst in allgemeiner Weise auf die Voraussetzungen des Ersatzes von Mietwagenkosten hin, wonach der Geschädigte unter mehreren auf dem örtlich relevanten Markt (nicht nur für Unfallgeschädigte) erhältlichen Tarifen grundsätzlich den günstigeren Mietpreis zu wählen habe. Nur dieser Tarif sei erforderlich:
"Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Geschädigte vom Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand grundsätzlich den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist hierbei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis als zur Herstellung objektiv erforderlich ersetzt verlangen kann (vgl. etwa Senatsurteile vom 2. Februar 2010 - VI ZR 139/08, VersR 2010, 545 Rn. 10 und vom 18. Dezember 2012 - VI ZR 316/11, VersR 2013, 330 Rn.8, jeweils mwN)" (Rdnr. 6)
Die Bestimmung, welcher Tarif in diesem Sinne erforderlich sei, könne aber ausnahmsweise dann entfallen, wenn dem Geschädigten "ohne weiteres" ein noch günstigerer Tarif offen stand:
"Die Frage, ob der vom Geschädigten gewählte Tarif erforderlich war im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, kann ausnahmsweise offen bleiben, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation 'ohne weiteres' zugänglich gewesen wäre, so dass ihm eine kostengünstigere Anmietung unter dem Blickwinkel der ihm gemäß § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB obliegenden Schadensminderungspflicht zugemutet werden konnte (vgl. Senatsurteil vom 2. Februar 2010 - VI ZR 139/08, aaO Rn.12)." (Rdnr. 7)
Und einen solchen Ausnahmefall nahm der BGH vorliegend an. Nach der Beweisaufnahme in den Vorinstanzen stünde auch revisionsrechtlich fest, dass dem Kläger "ohne weiteres" die Anmietung eines günstigeren Fahrzeugs möglich gewesen wäre:
"Das Amtsgericht, dessen Beweiswürdigung das Berufungsgericht folgt, hat sich nämlich nicht - wie die Revision geltend macht - mit der Feststellung begnügt, es bestehe kein Zweifel daran, dass eine Fahrzeuganmietung zu den vom Zeugen genannten Preisen tatsächlich möglich gewesen wäre. Es hat sich dabei vielmehr auf die als glaubhaft angesehene Aussage des Zeugen P. gestützt, wonach dieser regelmäßig - sollte vom Geschädigten ein Mietwagen gewünscht werden - dessen Telefonnummer notiere und an das Mietwagenunternehmen weitergebe, welches sich dann bei dem Geschädigten melde und Zeitpunkt und Art der Fahrzeugzustellung vereinbare. Da die genauen Übergabemodalitäten (sinnvollerweise) dabei unmittelbar zwischen dem von der Beklagten vermittelten Mietwagenunternehmen und dem Kläger vereinbart werden können, musste dem Kläger - entgegen der Ansicht der Revision - nicht bereits seitens des Haftpflichtversicherers mitgeteilt werden, wo sich das Fahrzeug befindet und ab wann es konkret zur Verfügung gestellt wird." (Rdnr. 10)
(Quelle: BGH, Urteil v. 26.04.2016, VI ZR 563/15)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michel Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))