Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht Michael Kügler
BGH, 13.09.2016 - VI ZR 654/15: Zum Mischen von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung nach VU
Mit Urteil vom 13.09.2016 entschied der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) einen Rechtstreit, in dem bei der Abrechnung eines Verkehrsunfalls das Mischen der sog. fiktiven Abrechnung mit einer Abrechnung auf Basis der tatsächlichen entstandenen Schadenspositionen in Rede stand.
Hintergrund des entschiedenen Falles bildete ein Verkehrsunfall vom 21.12.2013. Hierbei war das Taxi des Klägers zu Schaden gekommen.
Der (vorsteuerabzugsberechtigte) Kläger machte seinen Schadensersatz auf Basis eines vorprozessual eingeholten Gutachtens, also fiktiv (auf Gutachtensbasis), geltend.
(Symbolbild)
Im Gutachten wurde unter anderem der (hypothetische) Wiederbeschaffungswert des verunfallten Fahrzeugs ausgewiesen. Die Angabe dieses Wertes erfolgte dabei unter der Annahme, dass der Kläger ein solches Fahrzeug auf dem gewerblichen Gebrauchtwagenmarkt, mithin differenzbesteuert, erwerben könnte.
Insoweit war in dem angegebenen Wiederbeschaffungswert ein (fiktiver) Umsatzsteueranteil von 2,4 % enthalten:
"Nach den von den Parteien nicht beanstandeten Feststellungen war vorliegend bei einer (hypothetischen) Ersatzbeschaffung von Differenzbesteuerung auszugehen und ist in dem Brutto-Wiederbeschaffungswert von 7.400 € ein Umsatzsteueranteil in Höhe von 2,4 % (173,44 €) enthalten. Der Schaden des Klägers errechnet sich somit insoweit aus einem Netto-Wiederbeschaffungswert von 7.226,56 €. Abzüglich des Restwerts von netto 1.134,45 € und der vorgerichtlichen Zahlung auf den Wiederbeschaffungsaufwand von 5.084,04 € ergibt sich folglich der vom Amtsgericht zugesprochene restliche Wiederbeschaffungsaufwand von 1.008,07 €." (BGH, aaO., Rdnr. 14)
Der Kläger meinte aber, dass ihm aufgrund einer (konkreten) Ersatzbeschaffung vom 16.01.2014 ein Umsatzsteueranteil (926,05 € ) zustehen würde.
Dies lehnte der BGH aus zwei Gründen ab:
Zum einen sei der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt. Er habe sich daher bereits die Möglichkeit der Vorsteuerabzugsberechtigung im Rahmen der Schadensberechnung entgegenhalten zu lassen:
"Dies ergibt sich im Streitfall schon aus dem Umstand, dass der vorsteuerabzugsberechtigte Kläger am 16. Januar 2014 ein regelbesteuertes Fahrzeug erworben hat und er sich nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs den Einwand der Vorsteuerabzugsmöglichkeit entgegen halten lassen muss (st. Rspr. seit Senatsurteil vom 6. Juni 1972 - VI ZR 49/71, NJW 1972, 1460; zuletzt etwa Senatsurteil vom 18. März 2014 - VI ZR 10/13, NJW 2014, 2874 Rn. 17)." (BGH, aaO., Rdnr. 16)
Zum anderen habe der Kläger im vorliegenden Fall die ihm günstigere Möglichkeit der fiktiven Schadensabrechnung gewählt. Hieran müsse er sich festhalten lassen und könne nicht (teilweise) zur konkreten Schadensabrechnung übergehen:
"Unabhängig hiervon ist die beim Fahrzeugerwerb vom 16. Januar 2014 tatsächlich angefallene Umsatzsteuer nicht ersatzfähig, weil der Kläger die für ihn günstigere Möglichkeit einer fiktiven Schadensabrechnung auf der Grundlage des Sachverständigengutachtens gewählt hat. An dieser Art der Schadensabrechnung muss er sich jedenfalls dann festhalten lassen, wenn - wie hier - die konkreten Kosten der Ersatzbeschaffung unter Einbeziehung der geltend gemachten Nebenkosten den ihm aufgrund der fiktiven Schadensabrechnung zustehenden Betrag nicht übersteigen; eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig (Senatsurteil vom 30. Mai 2006 - VI ZR 174/05, NJW 2006, 2320, 2321 Rn. 11; vgl. auch Senatsurteile vom 17. Oktober 2006 - VI ZR 249/05, BGHZ 169, 263 Rn. 15; vom 15. Februar 2005 - VI ZR 172/04, BGHZ 162, 170, 175)." (BGH, aaO., Rdnr. 17)
Für unerheblich hielt der BGH die Frage, wie zu verfahren sei, wenn bei fiktiver Abrechnung eine Eigen-, Teil- oder Billigreparatur vorgenommen würde:
"Auf die umstrittene Frage, ob bei fiktiver Abrechnung von Reparaturkosten unter Umständen tatsächlich aufgewendete Umsatzsteuer neben den vom Sachverständigen ermittelten Nettoreparaturkosten ersetzt verlangt werden kann, wenn der Geschädigte sich mit einer Eigen-, Teil- oder Billigreparatur zufrieden gibt (vgl. hierzu Senatsurteil vom 3. Dezember 2013 - VI ZR 24/13, NJW 2014, 535 Rn.13 mwN), kommt es für die vorliegende Fallgestaltung nicht an." (BGH, aaO., Rdnr. 17)
(Quelle: BGH, Urteil v. 13.09.2016, VI ZR 654/15)
(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Fuldabrück-Bergshausen (LK Kassel))