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  • AutorenbildFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

BAG, 23.01.2020 - 8 AZR 484/18: Zur Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber - Öffentlicher Dienst

Öffentliche Arbeitgeber unterliegen beim Eingang von Stellenbewerbungen schwerbehinderter oder diesen gleichgestellter Menschen besonderen Verpflichtungen. Mit einem solchen Fall hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Urteil vom 23.01.2020 zu befassen.


Geht nämlich einem öffentlichen Arbeitgeber die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zu, so muss er den Bewerber nach § 165 S. 3 SGB IX nF (vormals: § 82 S. 2 SGB IX aF) zu einem Vorstellungsgespräch einladen.


§ 165 SGB IX nF lautet:


"Die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber melden den Agenturen für Arbeit frühzeitig nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze (§ 156). Mit dieser Meldung gilt die Zustimmung zur Veröffentlichung der Stellenangebote als erteilt. Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Einer Inklusionsvereinbarung nach § 166 bedarf es nicht, wenn für die Dienststellen dem § 166 entsprechende Regelungen bereits bestehen und durchgeführt werden."


In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass die Einladung zum Vorstellungsgespräch unterbleibt.


In diesem Fall drohen dem öffentlichen Arbeitgeber empfindliche finanzielle Nachteile.


In Betracht kommt nämlich ein Anspruch des nicht eingeladenen schwerbehinderten oder diesem gleichgestellten Bewerbers auf eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG.


"(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre."


Dabei begründet, wie das BAG ausführt, die bloße Nichteinladung - eigentlich - noch keinen Entschädigungsanspruch. Allerdings stellt das Unterlassen einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch ein Indiz im Sinne des § 22 AGG dar, welches die Vermutung begründet, das der schwerbehinderte oder gleichgestellte Bewerber gerade aufgrund seiner Behinderung nicht eingestellt wurde.


§ 22 AGG lautet:


"Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat."


Auch wenn diese Vermutung vom Arbeitgeber widerlegt werden kann, sind - wie auch der vorliegende Fall zeigt - entsprechende Bemühungen oft nicht von Erfolg gekrönt:


Symbolbild Kölner Dom

(Symbolbild)


Im entschiedenen Fall hatte sich der Kläger im August 2015 per E-Mail auf eine Stelle im Gerichtsvollzieherdienst des Oberlandesgerichtsbezirks Köln beworben, wobei er auf seinen Grad der Behinderung von 30 und seine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen hinwies. Der Kläger war nicht offensichtlich ungeeignet für die ausgeschriebene Stelle. Trotzdem wurde er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.


In der Folge begehrte der Kläger vom beklagten Land eine Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung in Höhe von 7.434,39 €.


Das beklagte Land lehnte die Zahlung einer Entschädigung ab. Es läge keine Benachteiliung vor. Die unterbliebene Einladung des Klägers habe ihren Grund darin, dass die klägerische Bewerbung aufgrund eines schnell überlaufenden E-Mail-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht vorgelegt wurde.


Das Arbeitsgericht (ArbG) wies die Klage ab.


Das Landesarbeitgericht (LAG) gab ihr in Höhe von 3.717,30 € statt.


Das BAG bestätigt die Entscheidung des LAG.


Das beklagte Land hätte den Kläger zum Vorstellungsgespräch einladen müssen. Das Unterlassen dieser Einladung begründe die Vermutung für eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung. Diese Vermutung sei nicht widerlegt worden. Das beklagte Land habe bereits nicht vorgetragen, dass ihm trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war.


Die Revision des beklagten Landes blieb erfolglos.


(Quelle: BAG, Urteil v. 23.01.2020, 8 AZR 484/18; Pressemitteilung Nr. 5/20)


(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)

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