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AutorenbildFachanwalt für Arbeitsrecht Michael Kügler

BAG, 27.08.2020 - 8 AZR 62/19: Benachteiligung wegen der Religion durch Kopftuchverbot?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte sich in einem Urteil vom 27.08.2020 mit einer Entschädigungsklage nach dem AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) zu befassen.


Im entschiedenen Fall hatte sich die Klägerin, eine Diplom-Informatikerin, die sich als gläubige Muslima bezeichnet und aus religiösen Gründen ein Kopftuch trägt, beim beklagten Land für eine Anstellung als Lehrerin beworben. Nach Teilnahme an einem Vorstellungsgespräch wurde sie von einem Mitarbeiter der Zentralen Bewerbungsstelle auf das Berliner Neutralitätsgesetz ("Gesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin") angesprochen. Die Klägerin erklärte, das Kopftuch auch im Unterricht tragen zu wollen.


In § 2 dieses Gesetzes heißt es:


"Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht."


Symbolbild Kopftuch

(Symbolbild)


Die Bewerbung der Klägerin blieb erfolglos. Daraufhin verlangte die Kläger eine Entschädigung nach dem AGG. Sie sah sich aufgrund ihrer Religion benachteiligt. § 2 Berliner Neutralitätsgesetz sei nicht mit der gemäß Art. 4 GG verfassungsrechtlich geschützten Glaubensfreiheit vereinbar.


Art. 4 GG lautet:


"(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz."


Das beklagte Land verteidigte die angegriffene Regelung. Der Nachweis einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden sei nicht erforderlich.


Während das Arbeitsgericht (ArbG) die Klage abwies, gab das Landesarbeitsgericht (LAG) ihr in Höhe von 5.159,88 € statt.


Das beklagte Land und die Klägerin gingen in Revision bzw. Anschlussrevision.


Beide Rechtsmittel blieben vor dem BAG erfolglos. Die Klägerin könne die ihr vom LAG zugesprochene Entschädigung verlangen, aber auch nicht mehr. Die Klägerin sei unmittelbar im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG wegen der Religion benachteiligt worden. Dies werde zu Gunsten der Klägerin aufgrund der Ansprache nach dem Vorstellungsgespräch vermutet.


Die Benachteiligung sei nicht gerechtfertigt. Die Regelung des § 2 Berliner Neutrlitätsgesetz, die einer Lehrerin ohne Weiteres, d.h. ohne konkrete Störung des Schulfriedens, das Tragen eines Kopftuches verbiete, stelle nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Religionsfreiheit da, sofern das Tragen des Kopftuchs - wie vorliegend - auf ein als verpflichtend verstandenes religiöses Gebot zurückzuführen ist.


§ 2 Berliner Neutralitätsgesetz sei daher verfassungskonform dahin auszulegen, dass das Verbot des Tragens eines religiös begründeten Kopftuchs nur im Fall einer konkreten Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität gilt. Eine solche konkrete Gefahr hatte das beklagte Land aber nicht dargelegt.


(Quelle: BAG, Urteil v. 27.08.2020, 8 AZR 62/19; Pressemitteilung Nr. 28/20)


(Eingestellt von Rechtsanwalt Michael Kügler, Kassel)

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